Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)
Fahrstuhl fährt bis zur dreizehnten. «
Es gab zwei Aufzüge, die auf den ersten Blick aussahen wie die Dinger in jedem anderen Haus auch. Aber immerhin waren es eben nur zwei bei zwölf Wohnungen.
Doch warum gab es dann dreizehn Stockwerke? Ob es sich bei einer Wohnung um eine Maisonette handelte?
Und was sollte mir der Hinweis sagen, der Fahrstuhl würde bis zum dreizehnten Stock fahren? Schaffte er das normalerweise nicht?
Der Fahrstuhl hatte eine Größe, die förmlich nach dem Einbau einer Jacuzzi schrie. Die Ähnlichkeit mit einem Badezimmer wurde zudem dadurch verstärkt, dass die Wände verspiegelt und die Decke in mattem Schwarz gehalten war. Auf dem Boden lag ein Teppich. Ein sauberer übrigens.
Es gab tatsächlich nur zwölf Knöpfe. Neben jedem befand sich ein schmaler Schlitz wie für eine Magnetkarte. Bedeuteten die womöglich irgendwelche Schwierigkeiten bei der Bedienung?
Sobald ich jedoch auf den Knopf für die zwölfte Etage drückte, setzte sich der Fahrstuhl sanft in Bewegung. Leise Musik erklang.
Wie sollte ich mich bloß diesem Dschingis gegenüber verhalten? Sollte ich von ihm Programme erbetteln, die als Waffen eingestuft und deshalb verboten waren? Oder ihn an irgendeinen dämlichen Lastkahn erinnern, auf dem ich nie gewesen bin?
Noch bevor ich eine Entscheidung getroffen hatte, glitten die Türen des Fahrstuhls bereits auseinander.
Ich war mitten in der Wohnung gelandet!
Gut, es gab eine kleine Diele und eine solide Tür, vermutlich aus holzverkleidetem Stahl. Aber die stand sperrangelweit offen.
Zaghaft trat ich durch sie hindurch in die Eingangshalle. Diese war quadratisch und maß sieben mal sieben Meter. Die hohe Decke lief in eine Art Glaspyramide aus, auf die der Regen prasselte. Bei der Wohnung handelte es sich in der Tat um eine Maisonette, eine Wendeltreppe führte hoch zur zweiten Etage.
Ich war mutterseelenallein.
»He!«, rief ich.
Dieser saloppe Ausdruck passte etwa genauso gut zu der Umgebung wie meine alten Jeans. Trotzdem erreichte ich damit
etwas. Aus einer der Flügeltüren schaute ein Hund heraus und kam leichtfüßig auf mich zu.
Ich liebe Golden Retriever!
»Hallo, Hund!«, sagte ich und ging in die Hocke. »Wo ist denn dein Herrchen?«
Der Retriever beschnupperte meine Hand und ließ sich sogar großherzig von mir hinterm Ohr kraulen.
»Oder bist du vielleicht Dschingis?«, fragte ich. »In dem Fall soll ich dich nämlich von Maniac grüßen.«
»Der Gruß ist für mich. Und der Hund heißt Byte.«
Der Mann war dem Hund gefolgt, und zwar ebenso leichtfüßig und leise. Mit ausgestreckter Hand kam er auf mich zu. »Ich bin Dschingis.«
Wie seine Eltern auf diesen Namen verfallen waren, war mir ein Rätsel. Ob er orientalische oder gar tatarische Vorfahren hatte? Aussehen tat er jedenfalls wie ein Schwede, wie ein Vorzeigeschwede, um genau zu sein. Groß und stark, mit schulterlangem blondem Haar und einem nordischen Gesicht. Er war zwar braun gebrannt, aber eindeutig von Natur aus sehr hellhäutig. Der Trainingsanzug, den er trug, war kein chinesisches Imitat, sondern echte Adidas-Markenware, abgerundet von Original-Reeboks an den Füßen. Ich hatte noch nie jemanden kennengelernt, der in Turnschuhen durch seine Wohnung stiefelte – allerdings war ich auch noch nie in einer solchen Wohnung gewesen.
»Und ich Leonid.«
»Warum hast du das den Security-Leuten nicht gesagt?«
»Hätte der Name denn etwas genutzt?«
»Stimmt auch wieder«, gab Dschingis zu. »Hast du’s eilig?«
Er duzte mich in einer derart selbstverständlichen Weise, dass ich keinen Einspruch erhob.
»Nicht sehr.«
»Wunderbar. Lass den Mann zufrieden, Byte!«
Der Hund löste seine Schnauze von meiner Hand und zog beleidigt ab.
»Was willst du trinken?«, fragte Dschingis. »Und zieh erst mal die Jacke aus, du kannst sie da drüben aufhängen.«
Der Kleiderschrank in der Eingangshalle war genauso groß wie unsere Diele. Während ich meine Jacke auszog, versuchte ich, meine Gedanken zu ordnen. Das war nicht einfach eine große Wohnung – das war die reine Luxuswohnung. Woher kannte Schurka solche Leute? Und was war das für ein Hacker, dieser Typ mit dem Namen eines Helden und dem Verhalten eines schweren Mafioso?
»Was nimmst du, Leonid?«
»Alles, was wärmt.« Wenn schon, denn schon.
»Sehr schön. Dann lass uns in die Küche gehen.«
Durch einen langen und breiten Korridor mit Bildern an der einen Wand und mit zum Platz an der Metrostation hinausgehenden Fenstern
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