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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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deine Frau zu Hause?«, fragte Bastard leise. Als ich nickte, wollte er wissen. »Wie heißt sie?«
    »Vika.«
    »Danke.«
    Als ich sah, wie Bastard nach Hausschuhen Ausschau hielt, streifte ich meine von den Füßen.
    »Guten Abend.« Vika gesellte sich zu uns in die Diele.
    »Guten Abend!« Bastard vollführte eine ungeschickte Verbeugung und streckte ihr die Blumen hin. »Es ist mir ein wahnsinniges Vergnügen, Sie kennenzulernen, nachdem Leonid schon so viel von Ihnen erzählt hat. Ich bin Anton.«
    Was zog er denn jetzt schon wieder für eine Show ab?
    »Vielen Dank! Wie hübsch.« Vika nahm den Strauß an sich. »Willst du uns nicht vorstellen, Leonid?«
    »Das ist Vika, meine Frau«, murmelte ich. »Und das ist Ba… Anton. Ein hervorragender Computerfachmann.«
    »Wie ist es Ihnen lieber – Anton oder Bastard?«, wollte Vika wissen. Ich konnte ihr in den Augen ablesen, wie sehr sie die Situation genoss.
    »Ehrlich gesagt, Viktoria, wäre es mir lieber, wenn Sie mich Bastard nennen. Aber manch einen schockiert der Name …«
    »Mich nicht. Dann nehmen wir Bastard und das Du, ja? Leg deine Jacke ab und komm rein. Und entschuldige die Unordnung. Ich arbeite den ganzen Tag, und Ljonka ist in der Tiefe .«
    »Ist doch sehr gemütlich und reizend!«, brachte Bastard eifrig hervor. Er zog eine schäbige Mütze aus Bisam vom Kopf. Wenn er sich mit der vor einer Metrostation aufbauen würde, dürfte der Rubel rollen. »Vika … also mein ungewöhnliches Äußeres, das hängt damit zusammen … dass ich mich vorm Winter immer kahl schere.«
    »Interessant. Und warum? Die Jacke kannst du hierher hängen. Fühl dich einfach wie zu Hause, ja?«
    Bastard schniefte und stellte die Tasche ab. »Sicher?«, entgegnete er. »Dass ich mich wie zu Hause fühlen darf?«
    »Aber natürlich.«
    »Heiliger Hodensack … Oh! Aber ich habe dich ja gewarnt …« Bastard zog die Jacke aus und warf sie über den Garderobenständer, während er seine Mütze mit größter Sorgfalt aufhängte. »Also … ich schere mich wegen ihr. Sie ist schon alt …«
    »Wer ist schon alt?«
    »Meine Mütze. Sie ist alt, zerschlissen und eingelaufen. Deshalb passt sie mir bei meiner Mähne nur, wenn ich mich kahl schere.«
    Mir schoss der Gedanke durch den Kopf, Bastard umgehend wieder ins Treppenhaus zu bugsieren. Aber vermutlich würde das nicht klappen. Schon gar nicht umgehend.
    »Warum kaufst du dir keine neue? Sicher, heute ist alles teuer, aber …«
    »Weil ich vor acht Jahren dem Tierschutzverein beigetreten bin. Seitdem vertrete ich die Auffassung, dass es ein Ausdruck von Barbarei und Faschismus ist, Pelzkleidung herzustellen. Deshalb habe ich kein Recht, mir eine neue Pelzmütze zu kaufen. Aber im Winter ist es in Moskau so kalt, dass ich mir wer weiß was einfangen würde, wenn ich ohne Mütze rumlaufen würde …«
    »Diese Position verdient höchste Anerkennung«, erwiderte Vika. »Macht es dir im Übrigen etwas aus, dass mein Pelzmantel neben deiner Jacke hängt?«
    »Nein«, antwortete Bastard voller Würde. »Aber es enttäuscht mich. Wenn du einverstanden bist, können wir vielleicht nachher noch ein wenig über den Schutz der Umwelt und über eine humane Beziehung zu unseren kleinen Brüdern sprechen.«
    Ich schielte aus den Augenwinkeln zu Vika hinüber.
    Sie lächelte. Und zwar so offen, wie schon lange nicht mehr.
    »Und jetzt komm rein, Bastard. Und fühl dich, wie gesagt, ganz wie zu Hause. Oder lieber fast ganz. Wollt ihr gleich euer Bier trinken oder erst, nachdem du dir den Rechner angesehen hast?«
    »Wir können diese beiden Prozesse durchaus … äh … synchronisieren«, schlug Bastard verlegen vor. »Nimmst du auch ein Bier, Viktoria?«
    »Gern. Aber sag doch Vika, ja?«
    »Nichts lieber als das!« Bastard zerfloss in einem Lächeln. »Also, Ljonka, bring mal ein paar Gläser und zeig mir, wo deine durchgeschmorte Kiste steht.«
    »Das zeige ich dir«, sagte Vika. »Ljonka, schneid auch Brot und Käse auf und sieh mal nach, was wir noch im Kühlschrank haben.«
    Mit dem dumpfen Gefühl, leicht überflüssig zu sein, begab ich mich in die Küche.

110
    »Hab ich’s mir doch gedacht«, rief Bastard aus. »Konnte ja gar nicht anders sein.«
    Er hockte inmitten der ausgebauten Platinen auf dem Boden und drehte den ausgebauten Prozessor von einer Seite zur anderen.
    »Was?«, fragte ich mit brechender Stimme. Ich kam mir vor wie beim Arzt, der sich deine Röntgenbilder und Werte ansieht, gegen dein Knie hämmert, dir die

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