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Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Titel: Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Flüssigkeit überschüttete?
    Die Menge würde panisch zu den Ausgängen stürzen, und tausend Menschen müssten in dem Gewühl ihr Leben lassen.
    Edward Kadesky rannte ins Zelt und sah die zweitausendsechshundert Zuschauer, die gespannt auf den Beginn seiner Show warteten.
    Seiner
Show.
    Genau das dachte er. Die Show, die
er
ins Leben gerufen hatte. Kadesky war früher Anreißer einer kleinen Schaubude gewesen, hatte zweitklassige Nummern in drittklassigen Städten produziert und als Zahlmeister und Kartenverkäufer für schmuddelige Provinzmanegen gearbeitet. Jahrelang hatte er sich abgemüht, dem Publikum ein Programm zu bieten, das nicht dem üblichen kitschigen und grellen Image der Branche entsprach. Einmal war es ihm gelungen, und zwar mit dem Hasbro and Keller Brothers Circus – bis Erick Weir alles zerstörte. Danach hatte Kadesky sich noch gesteigert: mit dem Cirque Fantastique, einer Show von Weltruhm, die ihnen allen Anerkennung und sogar Prestige einbrachte, auch beim Schauspiel- und Opernpublikum, das sonst nicht viel von Zirkusunterhaltung hielt, und bei der MTV-Generation, die normalerweise keine Notiz vom Varietétheater nahm.
    Er musste an die sengende Hitze des Feuers in Ohio denken. An die Ascheflocken, die wie tödlicher grauer Schnee ausgesehen hatten. An das jaulende Geräusch der Flammen – diesen so merkwürdigen Lärm –, während die Show vor seinen Augen zugrunde gegangen war.
    Doch im Vergleich zu heute gab es einen Unterschied: Das Zelt damals war leer gewesen. Diesmal würden fast dreitausend Männer, Frauen und Kinder inmitten des Brandes sitzen.
    Kadeskys Assistentin, Katherine Tunney, eine junge Brünette, die einen hohen Posten bei den Disney-Themenparks bekleidet hatte, bevor sie zu ihm gewechselt war, bemerkte seinen sorgenvollen Blick und kam sofort an seine Seite. Das war eines von Katherines großen Talenten: Sie konnte fast seine Gedanken lesen. »Was ist los?«, flüsterte sie.
    Er erzählte ihr, was er von Lincoln Rhyme und der Polizei erfahren hatte. Ihr Blick schweifte durch das Zirkuszelt, genau wie seiner, hielt nach der Bombe Ausschau und musterte die potenziellen Opfer.
    »Wie packen wir die Sache an?«, fragte sie kurz und bündig.
    Er überlegte einen Moment und gab ihr dann einige Anweisungen. »Danach bringst du dich in Sicherheit«, fügte er hinzu. »Geh nach draußen.«
    »Und du bleibst? Was hast du…?«
    »Mach dich an die Arbeit«, fiel er ihr ins Wort und drückte ihre Hand. »Wir treffen uns draußen«, sagte er dann etwas sanfter. »Es wird schon alles gut gehen.«
    Sie wollte ihn umarmen, spürte er. Aber sein Blick hielt sie davon ab. Man konnte sie beide von den meisten Plätzen aus sehen; Kadesky wollte nicht, dass jemand im Publikum auch nur den geringsten Verdacht schöpfte. »Nicht zu hastig. Und immer schön lächeln. Denk dran, wir sind vor allem Schauspieler.«
    Katherine nickte. Dann ging sie zuerst zu dem Beleuchter und danach zu dem Kapellmeister, um ihnen Kadeskys Anordnungen auszurichten. Schließlich bezog sie am Haupteingang Position.
    Kadesky rückte sich die Krawatte zurecht, knöpfte das Jackett zu, schaute zum Orchester und nickte. Ein Trommelwirbel setzte ein.
    Showtime, dachte er.
    Als er mit breitem Lächeln in die Mitte der Manege trat, senkte sich Schweigen über das Publikum. Er blieb genau im Zentrum des Kreises stehen, und der Trommelwirbel hörte auf. Einen Augenblick später richteten sich zwei weiße Lichtkegel auf ihn. Obwohl er Katherine aufgetragen hatte, der Beleuchter solle ihn mit den beiden Hauptspots erfassen, keuchte er dennoch unwillkürlich auf, weil er für den Bruchteil einer Sekunde glaubte, die gleißende Helligkeit stamme von der explodierenden Benzinbombe.
    Doch sein Lächeln blieb bestehen, und er fing sich sofort wieder. Er hob ein kabelloses Mikrofon an die Lippen und fing an zu sprechen. »Guten Tag, meine Damen und Herren, willkommen im Cirque Fantastique.« Ruhig, freundlich, autoritär. »Wir haben für Sie heute eine herrliche Show vorbereitet. Und gleich zu Beginn muss ich Sie um Nachsicht bitten. Ich fürchte, Sie werden dies als kleine Unannehmlichkeit empfinden, aber glauben Sie mir, es lohnt sich. Es findet draußen vor dem Zelt ein besonderer Auftritt statt. Bitte verzeihen Sie… Wir haben uns bemüht, das Plaza Hotel nach hier drinnen zu verfrachten, aber die Direktion des Hauses war nicht einverstanden. Angeblich hatten die Gäste etwas dagegen.«
    Er hielt kurz inne, bis die Lacher

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