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Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Titel: Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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immer um verschiedene Grautöne gehandelt, manche sehr dunkel, andere sehr hell. Aber grau waren sie alle.«
    Bell schaute den Gang hinunter zu dem provisorischen Warteraum, den die Oberschwester für die verletzten Skateboarder und Radfahrer eingerichtet hatte. Es war ihr tatsächlich gelungen, seine Anweisung umzusetzen und diesen Bereich des Krankenhauses zu räumen.
    »Aber sobald man selbst mit dem Fall zu tun bekam, änderte er seine Farbe. Er wurde schwarz und weiß. Ob man nun Verteidiger oder Ankläger war – das Grau verschwand. Die eigene Seite war hundertprozentig gut, die andere Seite hundertprozentig böse. Recht oder Unrecht. Mein Professor sagte, man müsse sich davor hüten und sich immer wieder vor Augen führen, dass alle Fälle grau sind.«
    Bell sah einen Krankenpfleger. Der junge Latino wirkte harmlos, aber der Detective nickte Wilson zu, der den Mann anhielt und seinen Ausweis trotzdem überprüfte. Er reckte den Daumen hoch.
    Chrissy befand sich jetzt seit einer Viertelstunde im Operationssaal. Warum konnte denn niemand herkommen und ihnen wenigstens einen Zwischenstand mitteilen?
    »Wissen Sie, Roland, ich habe den Fall Constable die ganze Zeit als schwarz und weiß betrachtet, schon seit vor einigen Monaten die Verschwörung in Canton Falls aufgedeckt wurde. Er war für mich kein einziges Mal grau. Ich habe den Mann unnachgiebig verfolgt, und zwar mit allem, was ich hatte.« Er lachte bekümmert auf und blickte den Korridor entlang. Sein grimmiges Lächeln verschwand. »Wo, zum Teufel, bleibt der Arzt?«
    Er senkte wieder den Kopf.
    »Wenn ich eher an Grau gedacht und ihn nicht so hart in die Mangel genommen hätte, wenn ich ein wenig kompromissbereiter gewesen wäre, hätte er Weir vielleicht nicht angeheuert. Und dann wäre auch…« Er nickte in Richtung des Raumes, in dem seine Tochter sich nun befand. Dann bekam er kein Wort mehr heraus und weinte still.
    »Ich glaube, Ihr Professor hat sich geirrt, Charles«, sagte Bell. »Zumindest im Hinblick auf Leute wie Constable. Wenn jemand zu solchen Dingen fähig ist,
gibt
es kein Grau.«
    Grady fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen.
    »Sind Ihre Jungs je im Krankenhaus gewesen, Roland?«
    Ja, um ihre Mutter zu besuchen, als es zu Ende ging, dachte Bell unwillkürlich. Aber er sagte nichts davon. »Hin und wieder. Nichts Ernstes – was eben so passiert, wenn man einen Softball an die Stirn oder auf den kleinen Finger bekommt. Oder wenn ein gegnerischer Shortstop einen über den Haufen rennt.«
    »Tja«, sagte Grady, »es zieht dir den Boden unter den Füßen weg.« Er warf einen weiteren Blick in den leeren Flur. »Und du kannst nichts dagegen machen.«
    Ein paar Minuten später tat sich etwas. Ein Arzt in grünem Kittel tauchte auf, entdeckte Grady und kam langsam auf sie zu. Bell konnte seiner reglosen Miene nichts entnehmen.
    »Charles«, sagte der Detective leise.
    Doch obwohl Grady den Kopf gesenkt hatte, ließ er den Mann bereits nicht mehr aus den Augen.
    »Schwarz und weiß«, flüsterte er. »O mein Gott.« Er stand auf und schaute dem Arzt entgegen.
    Lincoln Rhyme blickte zum Fenster hinaus in den Abendhimmel, als das Telefon klingelte.
    »Kommando, Telefon, abheben.«
    Klick
.
    »Ja?«
    »Lincoln? Hier spricht Roland.«
    Mel Cooper drehte sich mit ernstem Gesicht zu ihm um. Sie wussten beide, dass Bell mit Christine Grady und ihrer Familie ins Krankenhaus gefahren war.
    »Wie sieht’s aus?«
    »Es geht ihr gut.«
    Cooper schloss kurz die Augen, und falls jemals ein Protestant sich beinahe bekreuzigt hätte, dann er in diesem Moment. Auch Rhyme war zutiefst erleichtert.
    »Kein Gift?«
    »Nein. Ein normaler Schokoriegel, ohne jegliche Fremdstoffe.«
    »Also war auch
das
ein Täuschungsmanöver«, stellte der Kriminalist fest.
    »Es scheint so.«
    »Aber was, zum Teufel, bezweckt er damit?«, murmelte Rhyme. Die Frage war weniger an Bell gerichtet als an ihn selbst.
    »Er will immer noch, dass wir uns auf Grady konzentrieren«, vermutete der Detective. »Ich glaube, er wird einen neuen Versuch unternehmen, Constable aus der Haft zu befreien. Er hält sich bestimmt noch irgendwo im Justizgebäude auf.«
    »Sind Sie zum Versteck unterwegs?«
    »Ja, mit der ganzen Familie. Wir werden uns dort einigeln, bis Sie den Kerl erwischen.«
    Bis?
    Wie wär’s mit
falls
?
    Sie legten auf. Rhyme fuhr zurück zu der Wandtafel.
    Die Hand ist schneller als das Auge
.
    Aber das stimmte nicht.
    Was hatte der Meisterillusionist Erick Weir

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