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Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Titel: Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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auf einmal einen merkwürdigen Laut, ein abgehacktes Zischen. Er wendete den Rollstuhl und entdeckte Kara hinter sich. Das Geräusch kam von ihrem hektischen Atmen. Sie starrte wie versteinert die Fotos von Calverts Leiche an und fuhr sich mit der Hand immer wieder durch das kurze Haar. Ihre weit aufgerissenen Augen schimmerten feucht, und ihr Unterkiefer zitterte. Schließlich wandte sie sich ab.
    »Sind Sie…«, setzte Sachs an, doch Kara hob eine Hand, schloss die Augen und atmete mehrmals tief durch.
    Als Rhyme die Qual auf ihrem Gesicht sah, erkannte er, dass sie an ihre Grenzen gestoßen war. Sie würde aufgeben. Sein Leben – die Arbeit bei der Spurensicherung – hatte zwangsläufig mit dieser Art von Schrecken zu tun; ihre Welt nicht. In ihrem Beruf waren alle Wagnisse und Gefahren reine Illusion, und man durfte von einer Zivilistin nicht erwarten, dass sie sich freiwillig einem solchen Grauen aussetzen würde. Rhyme bedauerte dies zutiefst, denn sie waren auf Karas Hilfe dringend angewiesen, aber ihre Miene sprach Bände. Er hoffte nur, ihr würde nicht übel werden.
    Sachs machte einen Schritt auf sie zu, blieb jedoch stehen, als Rhyme den Kopf schüttelte. Er wusste, dass die Entscheidung längst gefallen war und sie das Mädchen gehen lassen mussten.
    Und damit irrte er sich.
    Kara atmete ein letztes Mal geräuschvoll ein und wieder aus – fast wie ein Turmspringer, der an den Rand des Bretts vortrat – und drehte sich mit entschlossenem Blick zur Tafel um. Sie hatte lediglich einige Zeit benötigt, um sich zu sammeln.
    Sie ging dicht an die Fotos heran. Dann nickte sie. »P. T. Selbit«, sagte sie und wischte sich die Tränen aus den blauen Augen.
    »Ist das ein Name?«, fragte Sachs.
    Kara nickte erneut. »Mr. Balzac hatte früher manche seiner Tricks im Programm. Selbit war Illusionist und hat vor hundert Jahren gelebt. Diese Nummer stammt von ihm. Sie heißt
Die zersägte Frau
. Alles passt, die Rückenlage, die gefesselten Arme und Beine. Die Säge. Der einzige Unterschied ist, dass er einen
Mann
für den Auftritt gewählt hat.« Sie erschrak über den Versprecher. »Ich meine, für den
Mord

    »Ist die Nummer weitgehend unbekannt?«, erkundigte Rhyme sich auch diesmal.
    »Nein. Es war ein berühmter Trick, sogar noch bekannter als
Der Verschwundene
. Jeder, der sich auch nur ein bisschen mit der Geschichte der Zauberkunst auskennt, weiß darüber Bescheid.«
    Rhyme hatte mit dieser entmutigenden Auskunft gerechnet. »Trag es trotzdem in das Profil ein, Thom«, sagte er und wandte sich dann an Sachs. »Okay, beschreib uns, was bei Calvert geschehen ist.«
    »Wie es aussieht, wollte das Opfer zur Arbeit gehen und hat das Haus durch den Hinterausgang verlassen – laut Auskunft der Nachbarn machte er das immer so. Er kam an einer Seitengasse vorbei und sah das hier.« Sie wies auf die schwarze Katze in einer der Plastiktüten. »Ein Spielzeug.«
    Kara sah genauer hin. »Das ist ein Automat, eine Art Roboter. Bei uns heißt so etwas ein Falsum.«
    »Ein…?«
    »F-A-L-S-U-M. Ein Requisit, das vom Publikum für echt gehalten werden soll. Zum Beispiel ein Messer, dessen Klinge sich in den Griff schiebt, oder eine Kaffeetasse mit einem versteckten Reservoir.« Sie drückte einen Knopf, und das Tier fing plötzlich an, sich zu bewegen und täuschend echt zu miauen.
    »Calvert muss die Katze bemerkt haben und zu ihr gegangen sein. Vermutlich hat er geglaubt, sie sei verletzt«, fuhr Sachs fort. »Auf diese Weise hat der Hexer ihn in die Sackgasse gelockt.«
    »Woher stammt das Ding?«, fragte Rhyme.
    »Hersteller ist die Firma Sing-Lu in Hongkong«, antwortete Cooper. »Ich habe mal auf deren Internetseite nachgeschaut. Die Katze gibt es bei uns landesweit in Hunderten von Geschäften zu kaufen.«
    Rhyme seufzte. »Nicht zurückverfolgbar« schien für diesen Fall zum Leitsatz zu werden.
    Sachs berichtete weiter. »Calvert ist also zu dieser Katze gegangen und hat sich neben sie gekniet. Der Täter hatte sich irgendwo versteckt und…«
    »Der Spiegel«, fiel Rhyme ihr ins Wort und blickte kurz zu Kara.
    Die junge Frau nickte. »Illusionisten benutzen häufig Spiegel. Wenn man sie geschickt ausrichtet, kann man dahinter alles Mögliche verschwinden lassen.«
    Rhyme musste daran denken, dass der Laden, in dem sie arbeitete, Smoke & Mirrors hieß, Rauch und Spiegel.
    »Aber es ging etwas schief, und das Opfer konnte vorerst entwischen«, sagte Sellitto. »Und jetzt wird’s wirklich verrückt. Wir

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