Der Favorit der Zarin
treu sorgende Hausfrau mit aufgestützten Ellenbogen gegenüber. Familienidylle pur.
»Gestern haben sie bei mir zu Hause angerufen. Sie sagten (Valja imitierte eine Männerstimme): › Herr Glen? Entschuldigen Sie, dass wir Sie zu Hause stören. Aber wir können Nikolaj Alexandrowitsch nirgends finden; wir müssen etwas Dringendes mit ihm besprechen. Könnten Sie vielleicht . . .? ‹ – › Nein, kann ich nicht. Ich habe Urlaub. Suchen Sie ihn selber. ‹ Und ich hab den Hörer aufgeschmissen. Interessant ist, dass meine Frau Mammon eine raffinierte Telefonanlage hat, die bei allen Anrufen die Nummer registriert, aber in diesem Fall rührte sich nichts; das heißt, sie müssen einen Blocker haben. Kannst du mir folgen? Eh bien. Heute Morgen bin ich ins Office gefahren und hab die Blumen gegossen. Das ist wahrscheinlich der Punkt, wo sie sich mir an die Fersen geheftet haben. Und zwar so geschickt, dass ich nichts davon mitgekriegt habe. Ich bin ins › Pierre-Paolo ‹ gefahren, das ist so ein Lokal, das dir nicht gefallen würde. Ich sitze an der Bar, unterhalte mich mit Margot (das ist der dortige Barmann) und trinke einen Cappuccino. Plötzlich tauchen die drei Männer auf, die ich beim › Cholesterin ‹ auf die Matte gelegt habe. Willst du nicht weiteressen? Schmeckt es dir nicht?«
Nicholas legte die Gabel hin.
»Und was . . . was haben sie zu dir gesagt? Sind sie auf dich zugegangen?«
»Nur der eine, so ein Rothaariger. Die beiden anderen sind an der Tür stehen geblieben. Ich sitze wie auf glühenden Kohlen und denke, hoffentlich erkennen sie dich nicht. Pas du tout. Der Rothaarige kommt auf mich zu, gibt mir mit seiner verschwitzten Hand einen Klaps auf den Scheitel und sagt: › Na, Skinhead, wo ist dein Chef? ‹ Ein unheimlicher Schlägertyp! Ich hab ihm wieder was von Urlaub erzählt. So was wie: › Vorgestern hat mich der Chef angerufen und mir mitgeteilt, dass er dringend wegfahren muss. Ich hab so lange frei, hat er gesagt. ‹ Ich dachte, er glaubt es nicht und macht Terror. Aber der Rothaarige regte sich nicht weiter auf, zwinkerte nur und alle drei haben fiché le camps.«
»Was haben sie gemacht?«, fragte Fandorin mit gerunzelter Stirn.
»Sie haben den Schwanz eingezogen und sind abgedampft. Aber nicht richtig. Fünfzehn Minuten später kommt Max, er arbeitet da als guardian. Er meldet: › Diese Holzköpfe haben sich in den Jeep gesetzt und warten. Sind die hinter dir her ?‹ Du musst wissen, im › Pierre-Paolo ‹ verkehren nur waschechte Gays. Die mögen keine Fremden. An mich haben sie sich gewöhnt und akzeptieren mich als Towarischtsch. Max sagt: › Ich geh jetzt und schmeiß ihnen ein Brettchen mit Nägeln unter die Reifen. Du kannst also ruhig fahren, Valja. ‹ Ich geh raus, setze mich auf mein Motorrad und gebe Gas. Der Jeep rast mir nach, kommt aber nicht weit . . . So dass ich sie abgeschüttelt habe und, ohne Spuren zu hinterlassen, hergekommen bin.«
Und Valja lachte höchst zufrieden mit sich selbst.
»Und wenn sie dir diesen Streich übel nehmen, dich abpassen und erschießen?«, sagte Nicholas kopfschüttelnd. »Das sind schreckliche Menschen, du weißt noch zu wenig über sie.«
»Das wollen wir mal sehen, wer wen erschießt«, erklärte das unerschrockene Mädchen angriffslustig. Sie sprang auf, holte ihre Tasche und nahm eine Pistole heraus; es war die, die sie in der Nähe des Nachtklubs aufgehoben hatte.
»Denen lege ich einen tollen Countdown hin!«, prahlte Valja, streckte die Hand mit der Pistole aus und drohte: »Zack! Zack!«
Er nahm der Halbverrückten die Waffe ab und wollte sie in die Tasche des Morgenmantels stecken, konnte sich aber, von dem matten Glanz und der Eleganz des schrecklichen Instruments fasziniert, nicht dazu entschließen. Warum ist eine Waffe immer schön?, fragte Nicki sich. Wie ein Kunstwerk. Und er gab sich selber die Antwort: Weil sie wie die Kunst das Geheimnis von Leben und Tod in sich trägt. Eine leichte Anspannung der Muskeln des Zeigefingers und das Geheimnis ist dahin. Wie sagte doch der russische Goethe: »Was uns mit Untergang bedroht, hat für den Menschen einen Zauber . . .«
Man hörte die Klingel im Flur, ein einschmeichelndes musikalisches Motiv, aber Nicholas zuckte trotzdem zusammen und steckte die Pistole hektisch in die tiefe Tasche des Morgenmantels. Er sprang auf.
»Wer kann das sein?«
Valja antwortete lächelnd:
»Nur die Ruhe, mein illustrer Herr Dunkelmann. Wir sind hier in der Siedlung › Auf den
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