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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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raus.
    »Nein, eine Schlampe, gegen die wir ermitteln. Schwer in Ordnung. Auf die kannst du dich verlassen!«
    Verschwinden? Mich verstecken? Aber wie und wo?
    »Imagine, two days in Männerklamotten, das ist zum Schwulwerden! Schon als ich aufstand, ging mir alles gegen den Strich! Der Tag ist rosa, rosaner geht’s gar nicht. In der Frühe guck ich in den Spiegel: porco dio, so schön zu sein, gehört glatt verboten! Jetzt einen roten Afrolook, Stiefelchen mit Perlschnürchen (weißt du noch, solche mit einem Schleifchen an den Knöchelchen), einen Seidenschal, der im Wind flattert, und dann über die Twerska-ja Street flanieren, das haut die Männer einen nach dem andern um. Aber nichts da, verboten. Ich bin ja schließlich nicht blöd, I understand. Deine Kidnapper suchen ein Mädchen. Wenn sie die finden, kriegt die eine Abreibung, die nicht von schlechten Eltern ist. Wie diese klobigen Schuhe und die Glatze mir zum Hals raushängen! Ich sehe aus wie ein Penner, ein Penner! Nur hier auf der Datscha kann ich a little bit relaxen. Stört es dich, dass ich ungeschminkt bin?«
    Valja drehte sich vom Herd weg, wo ein besonders ausgefallenes Omelett zu Hochform auflief, und schnappte sich den Spiegel vom Tisch. Sie drehte und wendete den Kopf und zupfte an ihren Löckchen.
    »Ein Albtraum!«, sagte sie stöhnend. »Die Perücke ist verheerend, ich habe mir die erstbeste geschnappt. Und was das Outfit angeht, da halte ich lieber den Mund . . . Schließlich sind wir hier auf der Datscha. Da kommt es nicht so genau drauf an.«
    Während der zwei Tage, die er an dem Zufluchtsort zugebracht hatte, waren Fandorin die Einsamkeit und die schrecklichen Gedanken so auf die Stimmung geschlagen, dass ihm Valjas Stimme wie Engelsmusik vorkam. Die Assistentin hatte aus Moskau Essen und Zeitungen mitgebracht; aber was die Hauptsache war, sie hatte den Gefangenen aus dem schrecklichen Dämmerzustand geholt, wo Wachen und Traum sich ablösten, ohne dass man sagen konnte, welcher dieser Albträume nun schlimmer war.
    Nachdem er sich von Hauptmann Wolf verabschiedet hatte, hielt es Nicholas doch für nötig, jemand anzurufen: Er ging zum Hauptpostamt und rief bei Valja an. Er musste ja schließlich klären, ob die Flüchtige wohlbehalten zu Hause eingetroffen war.
    Wie sich herausstellte, hatte sie es glänzend geschafft. Fandorins Gehilfin ließ sich durch das verworrene Gestammel ihres Chefs (»dringend verschwinden . . . ich weiß nicht, wohin . . . denk dir etwas für Altyn aus« und so weiter) nicht beirren und bewies eine außerordentliche Geistesgegenwart. Sie zog ihn regelrecht aus einem Abgrund der Verzweiflung.
    »Haben Sie money?«, unterbrach sie ihren Chef. »Wie viel?«
    Nicki guckte in seiner Brieftasche nach.
    »Anderthalbtausend. Und Kleingeld.«
    »Ça suffit. Nehmen Sie ein Taxi und lassen Sie sich zu unserer Datscha bringen. Können Sie sich noch erinnern, Sie waren schon einmal da, als meine Frau Mammon Geburtstag hatte? Sie müssen die Rubljowsko-Nikolski-Chaussee nehmen und bis zum Kilometer 43 fahren, da steht ein Schild. Im Moment ist niemand da, das Haus ist leer. Ich rufe bei der Pförtnerloge an, die haben Ersatzschlüssel. Sie können dableiben und abwarten. Im frigo müsste etwas zu essen sein. Fromage und saucissons. Anrufen werde ich Sie nicht. Die wissen, dass ich Ihr Sekretär bin, und könnten das abhören. Ihren Babysitter werde ich aufsuchen und ihm ausrichten, er möchte sich weiter um die Kinder kümmern.«
    Wer hat denn schon einen so wunderbaren Assistenten? Valjas Vernunft, Kaltblütigkeit und Präzision hätten Fandorin fast Tränen der Rührung in die Augen getrieben. Auch die Panik legte sich sofort, Logik und Ordnung hielten wieder Einzug.
    Schon der erste Taxifahrer war bereit, den nächtlichen Reisenden an den Stadtrand zu bringen. Er wollte zuerst zweitausend, war dann aber auch mit eineinhalbtausend einverstanden – Fortuna wurde zusehends freundlicher zu dem Opfer unglücklicher Umstände.
    Die Datscha von Valjas Mutter war ein tolles Haus, das zu der berühmten Cottage-Siedlung »Auf den Bergen« gehörte. Sieben Zimmer, ein Garten mit Laube und einem Brünnchen, ein Billardtisch im Keller und ein Solarium unterm Dach: kurz, das Paradies der Neureichen, wie es im Buche steht. Das einzige Unglück war, lass Nicholas nicht dahinterkam, wie die Heizung funktionierte, und entsprechend fror. Um es warm genug zu haben, zog er den wattierten, mit Pfauen bestickten Morgenmantel und die

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