Der Favorit der Zarin
Bergen ‹ , da gibt es keine Fremden. Ich habe die guardians gebeten, mir Zweige mit Vogelbeeren zu bringen. Ich will sie in die Vase stellen – das ist très, très joli.« Und sie trippelte in den Flur und rief in melodiösem Singsang: »Ich komme!«
Nicholas wischte sich die Lippen mit der Serviette ab und griff nach der Teekanne.
Man hörte das Schloss rasseln. Valja kreischte begeistert:
»Ach, wonderwonderful. . .«
Dann polterte etwas im Flur – entweder war etwas von oben heruntergekracht, oder jemand war hingefallen.
Fandorin stürzte dahin, woher der Lärm kam, er warf noch nicht einmal vorher die Serviette hin.
Er lief in den Flur und blieb wie angewurzelt stehen.
Valja lag auf dem Rücken. Die Arme hatte sie ausgestreckt, über ihr Gesicht liefen zwei Ströme Blut, die Augen waren geschlossen.
Und in der Türöffnung stand der Mann, der Nicholas an dem Nachtklub angehalten hatte. Heute trug er keine dunkle Brille, und statt der Lederjacke war er in Anzug und Krawatte. In der linken Hand hielt er einen großen Strauß Vogelbeerzweige, die rechte Hand (sie steckte in einem Handschuh) schüttelte er leicht.
»Da ist ja auch Mister Fandorin«, sagte der schreckliche Mensch, als wäre das ganz normal, und fügte hinzu: »Quod erat demonstrandum.«
Und warf den Strauß zur Seite.
Als Nicholas nach hinten zurückwich, stürmte der Mann vorwärts und schnalzte mit der Zunge.
»Lassen Sie das, Sir, wir hatten genug Lauferei. Das gibt doch nur noch zusätzliche Probleme, und wer die auslöffelt, sind in erster Linie Sie.«
Nicki schämte sich seiner Feigheit und wollte in die entgegengesetzte Richtung, um zu sehen, was mit Valja los war.
Der Bandit schnalzte wieder. Das Geräusch war nicht laut aber lähmend, wie das Rasseln einer Klapperschlange. Und Fandorin war gelähmt. Er erstarrte.
»Was haben Sie mit ihm . . . mit ihr getan?«, fragte er mit schwacher Stimme.
»Kein Grund zur Aufregung. Ich habe Ihrem Zwitter nur eins auf die Nase gegeben, wie er mir. Damit er uns aus den Füßen ist.« Er blickte nach unten auf die entblößten glatten Beine des ohnmächtigen Valja und bemerkte dann ironisch: »Sie haben ganz schön viel Phantasie. Ihr Outfit ist einfach umwerfend.«
Nicki zog den Morgenmantel mit den Pfauen über der Brust zusammen. Sollte dieser Typ doch von seinem Verhältnis zu Valja denken, was er wollte. Er hatte jetzt andere Probleme. Wie war er hergekommen?
»Wie haben Sie uns gefunden? Er hat gesagt, er hat die Verfolger abgeschüttelt.«
»Verfolgungsjagden, Mister Fandorin, das sind olle Kamellen. Das ist ein Sport für Dilettanten, denen die technischen Möglichkeiten fehlen.«
Der Mann beugte sich herunter, riss Valja die falschen Haare vom Kopf und tätschelte seinen rasierten Schädel.
»Hier, mein Kompagnon hat seine Tonsur genauso wie ich getätschelt, nur war der Handschuh mit einer besonderen Lösung getränkt, mit so etwas Ähnlichem wie einer Klebe. Die sendet ein Signal an ein Radargerät. Das ist alles, leichter geht’s nicht. Wie vermutet, hat uns der Zwitter dahin gebracht, wo wir hin wollten.«
»Aber wie sind Sie in die Siedlung gelangt? Man muss doch an einer Wache vorbei.«
»Für wen halten Sie uns eigentlich, Nikolaj Alexandrowitsch?«, fragte er und schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. »Da habe ich Ihnen gerade die Grenzenlosigkeit unserer technischen Möglichkeiten vorgeführt, damit Sie endlich aufhören, sich blöd zu stellen, und uns ernst nehmen. Und dann fragen Sie nach einer solchen Lappalie. Ich habe einen Ausweis, mit dem ich nicht nur in ein Datschendorf hereingelassen werde, ich komme damit in den Kreml.«
Er drehte sich zu der geöffneten Tür und gab jemand ein Zeichen.
Nicholas schaute über seine Schulter und sah den bekannten Jeep vor dem Haus stehen. Zwei Männer stiegen aus, ebenfalls alte Bekannte. Der Rothaarige ging zur Treppe, der mit der platten Nase blieb am Auto.
Als er sah, wie Fandorin sich mit der Serviette den Schweiß von der Stirn wischte, lächelte der Boss der Banditen und sagte:
»Melden sich die Schweißdrüsen? Das kommt von der Nervosität.«
»Hören Sie, was wollen Sie eigentlich? Warum sind Sie hinter mir her? Ich weiß nichts von Ihnen und von Ihren Angelegenheiten. Das schwöre ich Ihnen!«
Das klang so erbärmlich und verzweifelt, dass Nicki sich schämte und alles tat, um sich zusammenzunehmen. Worauf es in solch einer schrecklichen Situation am meisten ankommt, das ist, seinen Stolz nicht zu
Weitere Kostenlose Bücher