Der Favorit der Zarin
und kurz die Erzählung wurde, als er sie unter Ausklammerung der eigenen Emotionen beschrieb: die Killer-Troika hatte sich an die Fersen seines Assistenten geheftet, der ihn besuchen kam. Sie wollten den Assistenten umbringen; deshalb musste er den einen erschießen und vor den anderen flüchten. Und das war alles? Als er dann durch den toten Wald ging, hatte er sich mindestens wie der Held einer Shakespeare-Tragödie gefühlt.
Aber der Fahnder fand die erzählte Geschichte gar nicht so trivial.
»Das sieht ganz schön beschissen aus«, sagte er besorgt. »In den Knast kannst du nicht, Kolja. Da findet sich mit Sicherheit ein Dreckskerl in Beamtenkluft, der einen Menschen gegen Knete dem Tod ausliefert. Er wird sich das noch nicht einmal besonders teuer bezahlen lassen. Wenn es um einen der ihren geht, hast du keine Chance; ich kenne ihren Kodex. Da kannst du nach Australien fahren, die kriegen dich auch da. So dass du jetzt zwei Todesurteile hast. Du machst Fortschritte.«
Die kompetente Meinung des Profis schützte Nicki vor der Illusion, sein Leben sei in die gewohnten Bahnen zurückgekehrt.
»Was rätst du mir, Sergej?«, fragte der Experte für Ratschläge, wobei seine Stimme verräterisch zitterte.
Der Hauptmann kam nicht dazu zu antworten.
An dem von der Besitzerin verlassenen Jeep gingen auf einmal alle Lichter an: das Fernlicht und der Nebelscheinwerfer auf dem Dach. Die grellen Strahlen fielen Nicholas direkt ins Gesicht und blendeten ihn.
Er drehte sich um, aber hinten leuchteten ebenfalls Scheinwerfer – zweihundert Meter hinter ihnen stand noch ein Jeep.
»Bravo, Hauptmann!«, rief ihm jemand zu und zwar nicht von vorne und nicht von hinten, sondern aus der Dunkelheit, von links. »Du hast die Ware wirklich in bestem Zustand geliefert.«
Fandorin erkannte die Stimme. Es war die des höflichen Banditen, der bei ihnen der Anführer war. Aber nicht das war es, was den Magister am meisten erschütterte, sondern der scheußliche Verrat des Moskauer Kriminalbeamten. Wie überzeugend seine Lügen ausgesehen hatten, wie sehr er den Kumpel herausgekehrt hatte!
»Aussteigen, meine Herrschaften!«, fuhr die fröhliche Stimme fort. »Wir haben noch einiges vor.«
Wolf pfiff durch die Zähne und schlug fluchend mit der Faust gegen das Steuer.
»Diese Arschlöcher! Die haben mir einen Sender untergeschoben. Wie der letzte Vollidiot. . .«
Also hatte ihn der Fahnder doch nicht verraten, und obwohl das an der augenblicklichen Situation wenig änderte, spürte Fandorin darüber eine ungeheure Erleichterung.
»Ich steige aus, bleib du drinnen«, sagte er und fasste nach dem Handgelenk des Hauptmanns. »Du hast damit nichts zu tun. Danke, dass du hast helfen wollen.«
Er zog an dem Türgriff, aber Wolf stieß ihm den Ellenbogen in die Schulter, so dass es wehtat.
»Bleib sitzen, du unglückseliger Fernsehturm! Meinst du, Sergej Wolf ist ein kleiner Junge? Gleich, gleich . . .«
Der Hauptmann drehte schnell den Kopf: erst nach links und nach hinten, dann noch mal nach links und nach vorne.
»Nein, so komme ich nicht raus, ich sitze in der Klemme. Dann muss ich es eben so machen.«
Unten klickte etwas. Nicholas senkte die Augen und sah, dass die Hand des Milizionärs eine Pistole hielt.
»Nur keine Panik, Kolja. Ich hab im Schießen promoviert, wir kommen schon durch. Ich zerschmettere jetzt die Scheinwerfer des vorderen, dann schlag du dich sofort nach rechts und ich halte mich links. Renn so schnell weg, wie du kannst. Gott weiß schon, wessen Stunde gekommen ist und wessen nicht.«
Fandorin wollte gegen diesen selbstmörderischen Plan protestieren, aber der tollkühne Hauptmann hatte schon die Hand mit der Pistole ausgestreckt und auf den Abzug gedrückt. Die Lampe auf dem Dach des vorderen Jeeps zersplitterte.
Zwar hörte man nur einen Schuss, aber die Frontscheibe hatte aus irgendeinem Grund zwei Löcher. Wolf stieß mit dem Nacken energisch gegen die Kopfstütze und blieb in dieser Haltung sitzen, die Hand mit der Pistole gesenkt. Der von dem Lärm noch betäubte Nicki sah, wie sich die Lippen des Hauptmanns blähten, als wolle er gleich vor Lachen prusten, aber dem Mund entrang sich kein Lachen, sondern ein Glucksen, und auf das Kinn des Milizionärs ergoss sich eine schwarze Flüssigkeit, in der Bruchstücke von Zähnen glänzten.
Ohne verstanden zu haben, was Sergej zugestoßen war, riss der Magister am Türgriff, ließ sich auf den Boden fallen und kroch, wie wild mit den Ellenbogen
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