Der Favorit der Zarin
überhaupt etwas? Schnapp ihn dir! Wir verhören ihn!«
»Auch wieder richtig.«
Ochrim beugte sich vor und streckte die Hand nach dem Kragen von Vondorins Pelzmantel aus.
»Schade, dass ihr nicht auf die Stimme der Vernunft gehört habt«, sagte Daniel kopfschüttelnd und trat einen Schritt zur Seite.
Der Stab sauste mit einem Ruck nach unten, man hörte ein ekelhaftes Krachen, und der Reiter griff mit der linken Hand nach seiner kraftlos herunterhängenden rechten Hand. Ohne die Bewegung zu unterbrechen, drehte sich ihm der Stock mit der Spitze zu und bohrte sich dem Reiter in die Darmgegend – er überschlug sich und fiel aus dem Sattel zu Boden. Aber damit war die Nummer des Zauberstabs noch nicht zu Ende. Er flog in die Höhe, drehte sich um und landete wieder in Daniels Hand, diesmal mit dem anderen Ende. Vondorin hüpfte nach vorn, holte aus, indem er in der Luft einen anderthalb Klafter großen, pfeifenden Kreis beschrieb, und schlug dem erstarrten Kutscher mit dem fernen Ende seines Knüppels aufs Ohr. Der Kutscher fiel vom Bock, als habe ihn eine Kanonenkugel getroffen.
All das ging mit einer Geschwindigkeit vonstatten, dass es kaum jemand geschafft hätte, bis fünf zu zählen, selbst im Tempo eines Zungenbrechers nicht.
Mitja rieb sich die Augen – hatte er das vielleicht geträumt?
Nein, er hatte es nicht geträumt. Daniel stand da, die beiden Heiducken lagen auf dem Boden, das verwaiste Pferd drehte sich um die eigene Achse und zerrte mit den Zähnen an dem lockeren Zaum.
Aber da waren ja noch die beiden Reiter, und die waren weit davon entfernt, dem wilden Alten mit derselben leichtsinnigen Unterschätzung zu begegnen, die ihre Kameraden umgebracht hatte.
Der Erste holte eine Pistole aus dem Gürtel, der Zweite zog den Säbel aus der Scheide. Beide gaben ihrem Pferd die Sporen.
Doch auch Vondorin rührte sich. Er warf den Stab wieder hoch, fing ihn in der Mitte ab, nahm Anlauf und schleuderte dem Mann mit der Pistole, der gerade zielte, seine seltsame Waffe wie einen antiken Wurfspieß ins Gesicht. Der klatschte in die Hände, wankte und fiel auf die Seite.
Jetzt stand Daniel nur noch ein Gegner gegenüber, aber er begegnete ihm mit leeren Händen und hatte nichts, womit er den Schlag mit dem Säbel abwehren konnte.
Er wehrte ihn auch nicht ab, sondern sprang wendig zur Seite, um der Klinge auszuweichen, packte dann den letzten Heiducken am Gürtel und riss ihn aus dem Sattel.
Der rollte über die Erde, machte einen Purzelbaum und sprang wieder auf die Beine. Er hatte den Säbel beim Fallen in der Hand behalten und stürzte sich mit einem wütenden Fluch auf Vondorin.
Dieses Mal kam Vondorin ohne Tricks aus – er bückte sich einfach und hob die am Boden liegende Pistole auf.
»Hör auf, du Unvernünftiger«, sagte er. »Sonst. . .«
Er konnte den Satz nicht zu Ende sprechen.
Der Heiducke bückte sich ein wenig und ging auf ihn los. Er wollte offenbar unter der Kugel durchkommen, doch das Blei traf ihn ausgerechnet am Scheitel.
Daniel schüttelte traurig den Kopf, als er den ausgestreckten Körper zu seinen Füßen sah.
Er inspizierte der Reihe nach die anderen überwältigten Gegner. Zwei fesselte er mit ihren eigenen Gürteln, einen ließ er, wie er war.
Er drehte sich zum Wald und winkte Mitja zu sich heran. Der konnte sich kaum auf den Beinen halten, kam aber.
»Ein Unglück ist geschehen, Dmitri, ein Unglück« sagte er betrübt. »Zwei Diener des Favoriten sind durch widrige Umstände umgekommen. Dem einen hat die Wurfstange die Nasenwurzel zerschmettert – sie hatte zu viel Schwung. Der Zweite hat sich im ungünstigsten Moment gebückt. Ich wollte ihm in den Schenkel schießen, habe ihm aber Stattdessen das Hirn rausgepustet. Dem Verstand sei Dank, dass die beiden anderen nicht so viel abbekommen haben, denen kann ich helfen. Aber zuerst müssen wir die Dame beruhigen, die Schießerei und die Schreie haben ihr bestimmt Angst eingejagt.«
Er ging auf die Kutsche zu und klopfte. Es kam keine Antwort.
Da riss er sich die Mütze vom Kopf, öffnete die Tür und verbeugte sich respektvoll.
Pawlina lebte Gott sei Dank und war unversehrt. Mitja sah, wie sie ihr erschrecktes bleiches Gesicht dem unbekannten Mann mit dem grauen Bart zuwandte.
»Bist du ein Räuber?«, fragte die Gräfin mit zitternder Stimme.
Sicher! Was hätte sie auch sonst denken sollen? Sie war vom Regen in die Traufe gekommen, hatte ein bitteres Los vielleicht gegen ein noch bittereres
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