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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Rum?«
    Daniel reichte ihm das ganze Fläschchen. Er schüttelte den Kopf.
    »Gehen wir, Dmitri. Möge der Verstand das arme Russland retten. Was hat es bei einem solchen Kaiser zu erwarten?«
    Mitja dachte ein wenig nach und sagte:
    »Wäre es nicht besser, wenn der Enkel der Kaiserin nächster Kaiser würde? Ich habe ihn gesehen. Der Jüngling macht einen klugen und gütigen Eindruck.«
    »Vielleicht. Aber auch der Thronfolger war einmal ein wohlwollender und vernünftiger Knabe. Leider wirkt sich das Leben in der Nähe des Throns auf Verstand und Herz negativ aus . . .«
    Sie waren mitten auf dem Platz, als einer der Wachsoldaten die Hand über die Augen hielt, durch die Zähne pfiff und ausrief:
    »Der hat ja vielleicht ein Tempo drauf! Dass er sich nur nicht das Genick bricht.«
    Aus der Moskauer Richtung kam, umhüllt von einer Schneewolke, ein Reiter angestürmt.
    »Bestimmt ein Kurier auf einem Postpferd«, sagte der Korporal träge und paffte den Rauch aus der Pfeife. »Sein eigenes Pferd würde man nie so jagen!«
    Vondorin griff nach Mitjas Hand.
    »Lass uns zur Kutsche zurückkehren. Das Hufeisen ist bestimmt ausgetauscht, wir können weiterfahren.«
    Der Reiter galoppierte schwer vorbei, Mitja sah nur den aufgeblähten schwarzen Mantel und die Kruppe des Rappen. Man sah, der Beamte hatte es eilig.
    Aber an der Schlittenkutsche stoppte er auf einmal das Pferd und schimpfte:
    »Da ist sie also!«
    Die Stimme war heiser von der Kälte, aber schrecklich bekannt.
    Pikin! Er hatte sie eingeholt!
    »Wenn ich mich nicht irre, ist dieser Herr unseretwegen gekommen«, sagte Daniel ruhig und legte einen Schritt zu.
    Mitja sagte nichts, denn er bekam große Angst.
    Der schreckliche Hauptmann sprang vom Pferd und klopfte an die Tür der Kutsche.
    »Ehrwürdige Erlaucht!«, schrie er. »Pikin kann man nicht entwischen! Wie habe ich nur vorbeigaloppieren können, wir haben doch denselben Weg genommen! Am Stadttor zu Twer wurde mir gesagt: Ja, die Schlittenkutsche ist vorbeigekommen, in Sawidowo wurde mir gesagt: Nein, sie ist nicht vorbeigekommen. Merkwürdig. Ich musste also umdrehen. Pawlina Anikitischna, was antwortet Ihr nicht? Hallo!«
    Er riss die Tür auf; in diesem Augenblick näherte sich Daniel gerade. Mitja hielt sich vorsichtshalber in einiger Entfernung.
    Jetzt würde es losgehen!
    Vondorin tippte dem Preobrashenzen auf die Schulter und sagte:
    »Wer seid Ihr, gnädiger Herr, und was sucht Ihr in meiner Kutsche?«
    »In Eurer Kutsche?«
    Pikin starrte den Unbekannten verblüfft an.
    »Das ist die Schlittenkutsche der Gräfin Chawronskaja, das weiß ich ganz genau!«
    »Die Kutsche hat früher in der Tat der Dame gehört, deren Namen Ihr erwähntet, aber seit Nowgorod fahre ich mit ihr. Die Gräfin war so liebenswürdig, sie mir abzutreten, und zwar zu einem äußerst bescheidenen Preis. Sucht Ihr die ehrwürdige Erlaucht? Es tut mir Leid, aber ich kann Euch absolut nicht sagen, wo sie jetzt ist.«
    »Verflixt und zugenäht!«
    Pikin hämmerte vor Wut mit der Faust gegen die Wagentür.
    »Dreihundert Werst umsonst! Dieses verdammte Weib!« Er holte noch mit dem Bein aus, um mit dem Kanonenstiefel gegen das Rad zu treten, fragte aber Stattdessen: »War nicht ein alter Mann mit ihr zusammen, so ein struppiger, verwilderter, mit grauem Bart?«
    Daniel zog die Augenbrauen zusammen und sagte beherrscht:
    »Nein, das von Euch beschriebene Subjekt habe ich nicht in der Nähe von ehrwürdiger Erlaucht gesehen. Sie war mit einem durchaus ansehnlichen, respektablen Landmann reiferen Jahrgangs zusammen.«
    Pikin musterte Vondorin von Kopf bis Fuß.
    »Und wer seid Ihr denn eigentlich? Nennt Euren Namen!«
    Sein Gegenüber verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Stellt Ihr Euch zuerst vor, wie das bei anständigen Leuten so üblich ist.«
    »Wie kommt Ihr denn darauf, dass ich anständig bin?«, fragte der Hauptmann grinsend.
    »Weil Ihr die Uniform des Preobrashenski-Regiments Ihrer Kaiserlichen Majestät tragt.«
    Diese gelassenen, mit Würde gesprochenen Worte verfehlten ihre Wirkung nicht.
    Der Bösewicht hob den Kopf und stellte sich vor:
    »Gardehauptmann Pikin.« Dann machte er eine künstliche Pause und setzte wichtigtuerisch hinzu: »Adjutant Seiner Durchlaucht des Fürsten Platon Alexandrowitsch Surow. Und wer seid Ihr? Wohin geht die Reise? Mit welchem Ziel?«
    »Daniel Vondorin, Gardehauptmann a. D. und Ritter.« Mitjas Beschützer beugte den Kopf etwas und machte in der nächsten Sekunde einen

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