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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Bedingung: Wir schlagen uns bis zum Tod. Deshalb bitte ich die Herren Sekundanten, sich nicht einzumischen und uns nicht zu trennen – wenn einer das doch tut, schneide ich ihm die Ohren ab. Ist das klar?«
    Der Oberleutnant erklärte bereitwillig, er werde sich keinesfalls einmischen; der Korporal Ljuchin stand sogar stramm, woraus zu entnehmen war, dass er sich ohne Befehl nicht vom Fleck rühren werde.
    »Das ist ja vielleicht eine Waffe«, sagte Vondorin ächzend, als er den Degen des Oberleutnants aus Gatschina untersuchte. »Damit macht man allenfalls bei der Parade eine gute Figur. Aber ich habe keine Wahl. Fangen wir an?«
    Sie stellten sich mit dem Gesicht zueinander auf: Daniel nur im Hemd; Pikin war zu faul, sich auszuziehen – er hatte offenbar keinen Zweifel, dass er mit dem Gegner leicht fertig werden würde.
    Die Fuhrwerke und die gefangenen Rekruten befahl der Oberleutnant, an den Rand des Platzes zu schaffen, damit sie den Zweikampf nicht störten. Der Korporal und er standen zehn Schritte entfernt, die anderen Zuschauer drängten sich ängstlich in einiger Entfernung.
    Mitja hätte am liebsten die Augen zusammengekniffen oder wäre einfach weggelaufen, um nicht zu sehen, wie Daniel von Pikin erstochen wurde. Aber er zwang sich, nach vorne zu gehen und zuzusehen. Von dem niederträchtigen Gardisten konnte man jede Gemeinheit erwarten, der Gewissenhaftigkeit der Sekundanten konnte man sich auch nicht sicher sein, aber Mithridates hatte ja schließlich nicht umsonst Fechten gelernt. Wenn er einen Verstoß von Pikin merkte, würde er ihm das nicht durchgehen lassen, sondern aufschreien.
    Vondorin schaute auf den lässig mit der Waffe herumwedelnden Hauptmann und sagte:
    »Wie ich sehe, gebt Ihr der Genfer Position den Vorrang. Ich halte mich an die Schule von Mantua, sie ist von allen mir bekannten Schulen die beste.«
    Und er nahm eine unbeschreiblich elegante Haltung ein: das eine Bein im Knie gebeugt und nach vorne gesetzt, das andere mit der Fußspitze zur Seite gerichtet, die linke Hand in die Hüfte gestemmt und in der Rechten den diagonal nach oben zeigenden Degen.
    »Aha!«, staunte Pikin lachend. »So ein rüstiger Alter! Lässt die Gicht noch auf sich warten?«
    »Gicht hängt mit unmäßigem Genuss von Wein und Fett zusammen.« Daniel trat schnell nach vorn und nach hinten, um zu prüfen, ob der Schnee fest genug gestampft war. »Ich dagegen bin ein Anhänger der Mäßigung. Und nennt mich bitte nicht immer Alter! Ich bin über fünfzig, und diese Jahre ehrten die weisen Männer der Antike als Zeit der männlichen Reife . . .«
    Der Satz blieb unvollendet, weil Pikin auf einmal einen Ausfall machte. Das entsprach nicht ganz den Regeln, weil der Sekundant noch nicht »En avant!« gerufen hatte, war aber auch kein klarer Verstoß, denn beide Gegner standen sich schon mit gezückter Waffe gegenüber.
    Die schwere Klinge stieß gegen Daniels Spielzeugdegen und prallte mit einem Klirren ab; Pikin musste einen Satz nach hinten machen, um keinen Schlag gegen die Brust zu kriegen. Vondorin nutzte den Erfolg und tänzelte vor. Die ausgestreckte Hand bewegte sich nur im Handgelenk, aber der Degen änderte seine Position so schnell, dass er wie ein silberner Kegel aussah.
    »Donnerwetter!«, rief der Hauptmann aus, lief nach hinten und zog seinen Kaftan aus. »Das wird ja interessant!«
    »Ich sage Euch: In der Wissenschaft des Fechtens sind die Italiener bedeutend weiter als die Schweizer«, versicherte Daniel seinem Gegner und wartete, bis der den Arm aus dem Ärmel gezogen hatte.
    Mitja schöpfte wieder Mut. Wenn der Arzt die Wissenschaft des Fechtens mit demselben Eifer studiert hatte wie die Kunst des Stab- und des Faustkampfes, dann musste Pikin auf der Hut sein.
    Sie gingen wieder aufeinander los, aber diesmal war der Preobrashenze, vorsichtiger: Er preschte nicht vor, sondern versuchte den Feind aus der Ferne zu erreichen, wobei er sich die Länge der Klinge zunutze machte. Und trotzdem wich er langsam Schritt für Schritt zurück.
    Nach ein oder zwei Minuten prallte er mit dem Rücken gegen ein Fuhrwerk. Vondorin ließ sofort von ihm ab und forderte den Gardisten auf, in die Mitte zurückzukehren.
    Pikin zog auch die Weste aus, er schleuderte sie auf das Stroh.
    Sie gingen das dritte Mal aufeinander los.
    Daniel trat beiseite, um dem Angriff des Hauptmanns auszuweichen, beugte sich dann selbst vor und traf mit der Spitze das Schlüsselbein seines Gegners. Wenn seine Klinge einen Werschok

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