Der Favorit der Zarin
hast du mich aber ganz schön zum Lachen gebracht. . .«
Der Oberstallmeister machte eine Verbeugung, schnipste mit seiner im Rücken gehaltenen Hand (das konnte Mitja ja von hinten gut sehen) – und sofort eilten zwei Diener herbei und zogen die schnurrbärtige Jefimija fort.
Jetzt waren die Karpows an der Reihe. Die russische Juno, die noch ein Lächeln auf den Lippen hatte, ließ den Blick von Mitja zu dessen Vater gleiten. Der schluckte krampfhaft, und auch Mitja wollte das Herz fast aus der Brust springen.
»Welcher von den beiden?«, fragte Katharina. »Der Große oder der Kleine? Was ist mit denen?«
Vater trat vor, machte eine formvollendete Verbeugung und sagte sanft und ohne Stocken mit seiner schönsten Stimme:
»Eurer Kaiserlichen Majestät ergebenster Diener: Kavallerie-Garde-Seconderittmeister a. D. Alexej Karpow.«
Und er schwieg einen Augenblick. Er will herausfinden, ob sich die Kaiserin an ihn erinnert, erriet Mitja.
Nein, es sah nicht so aus. Eigentlich seltsam, er war so attraktiv und sympathisch, und trotzdem erinnerte sie sich nicht an ihn? Andererseits, sie ist ja schon alt, schon fünfundsechzig. In hohem Alter verlangsamt die Hirntinktur ihre Zirkulation und bildet Knoten und Verwachsungen, die das Funktionieren des Gedächtnisses beeinträchtigen.
»Das ist mein Sohn Mithridates«, fuhr Vater fort und deutete auf Mitja, der sich so tief, wie er es gelernt hatte, verbeugte. »Durch Zuhilfenahme tagtäglicher stundenlanger Exerzitien habe ich in diesem Wunderknaben eine unerhörte Geistesschärfe und Gelehrtheit ausgebildet. Mithridates multipliziert und dividiert jede beliebige Zahl mit unglaublicher Schnelligkeit. Genauso leicht potenziert er Zahlen, zieht Wurzeln und vollführt andere noch schwierigere mathematische Operationen. Und außerdem«, und hier wurde Vaters Stimme ganz samtig, »beherrscht er hervorragend die Geheimnisse des edlen Zeitvertreibs der orientalischen Könige und Weisen.« Er deutete souverän Richtung Schachbrett. »In diesem Spiel gibt es niemand, der sich mit ihm messen kann, noch nicht einmal unter den anerkannten Meistern. Und dabei ist der Junge erst fünf Jahre alt. . .«
Nachdem er seine vorbereitete Rede zu Ende gebracht hatte, verbeugte sich Alexej Woinowitsch wieder und erstarrte ehrfürchtig. Mitja seufzte. Von wegen fünf Jahre, da hatte Vater sich hinreißen lassen. In anderthalb Monaten wurde er sieben.
»So klein, und er soll schon Schach spielen können?«
Da, sie hatte angebissen! Die Kaiserin drehte sich mit ihrem ganzen schweren Körper um, so dass ihr auf der Bank ruhender Fuß auf den Boden rutschte.
»Aua!«
Katharina runzelte vor Schmerzen die Stirn und schrie auf.
Aus einer fernen Ecke kam ein dunkler Mann in einer mit Posamenten bestickten Marineuniform angestürzt und schob die Damen und Kavaliere beiseite, als zerteile eine Fregatte die Wellen.
»Ach, lieb Mütterchen, der Füßchen schmerzt?«, fragte er in seinem komischen Russisch. »Ich komme schon, ich, dein treuer Kosopoulos, ich bringe den Wunderwasser!«
Er zog ein Fläschchen mit einer giftig violetten Flüssigkeit aus der Riesentasche, warf sich auf die Knie, zog ihr vorsichtig den Schuh aus und massierte den angeschwollenen Fuß mit seinen geschickten fetten Fingern: rieb, wischte, drückte und brummelte sich dabei etwas in einer unverständlichen Sprache in den Bart.
»Dieser griechische Störenfried«, murmelte der Oberstallmeister verärgert. »Jetzt hat er alles verdorben!«
Vater richtete sich auf und fragte, verzweifelt die Hände über dem Kopf zusammenschlagend:
»Was ist denn das für ein Stümper?«
»Der Konteradmiral Kosopoulos, ein Pirat. Unser neuester Wundertäter, derzeit zuständig für den kranken Fuß der Kaiserin. Siehst du, er hat irgendein besonderes Mittelchen. Warum haben die Türken dieses Borstenschwein denn nicht gepfählt!«
Die Wangen des Admirals waren wirklich lila von den Borsten, die ihm tagsüber gewachsen waren, und auch die Ähnlichkeit mit einem Piraten war frappierend. Mitja stellte sich den Griechen ohne Militärweste und gepuderte Haare, sondern mit einem schwarzen Tuch auf dem Kopf und in einem roten, die behaarte Brust zur Schau stellenden Hemd vor, mit einem Krummsäbel am Gürtel – das wäre ein göttliches Bild! Warum hatte er denn nicht Seefahrer bleiben können?
»Na, da ist auch schon der Engländer, der Leibarzt Cruise«, sagte Kukuschkin spöttisch. »Jetzt wird es zur Schlacht bei Lepanto kommen.«
Die
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