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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Magister.«
    Sie wollte wieder seine Wange tätscheln, aber diesmal konnte Nicholas noch rechtzeitig ausweichen. Jeanne lachte – überhaupt war sie ausgezeichnet gelaunt.
    »Worüber haben die beiden sich denn verkracht?«
    »Diese Frage könnte ich eigentlich übergehen«, antwortete Jeanne und ließ ihre ägyptisch geschnittenen grünen Augen listig blitzen. »Aber gut, ich antworte dir, Nicki, wo du so ein artiger und strebsamer Junge bist. Na, das ist, wie das immer ist: Kuzenko und Oleg wollen denselben Lolli lutschen.«
    »Was wollen sie lutschen?«
    »Denselben Lolli«, wiederholte sie fröhlich. »Sie haben Lust auf denselben Lolli und wollen mal so richtig die Beißerchen zeigen. Und zwar ihrem alten Freund. Kuzenko und Oleg sind so alte Freunde, dass es ein Wunder ist, wenn jemand so lange lebt, wie sie schon befreundet sind. Wenn das mein Freund wäre, würde er jedenfalls auf Garantie nicht mehr leben. Kuzenko hatte den Lutscher schon im Mund und wollte ihn nicht hergeben. Das ärgerte meinen Kunden, und da hat er mich gerufen, damit ich ihm helfe. Und das tue ich nun auch mit deiner Hilfe. Kuzenko hat natürlich im Gegensatz zu dir ein dickes Fell, aber auch er hat trotzdem eine schwache Stelle. Und zwar genau dieselbe wie du. So einen kleinen Punkt wie in einem Brennglas: Wenn du den triffst, zerspringt das kugelsichere Glas in tausend Splitter. Und dieser Punkt ist ohne Scherz sein Tochterherz.«
    Wieder brach sie begeistert über ihren eigenen Witz in Lachen aus.
    »Sie meinen Miranda?«, fragte Fandorin, dem eine Gänsehaut über den Rücken lief.
    »Kennst du denn einen anderen neuralgischen Punkt bei diesem eisernen Doktor?«, fragte Jeanne und zog interessiert die Brauen zusammen. »Dann gib mir einen Tipp! Du denkst wahrscheinlich an seine heiß geliebte Ehegattin . . .«
    Nicholas hatte an gar nichts dergleichen gedacht; allein die Unterstellung flößte ihm schon Angst ein.
    Aber die Expertin für neuralgische Punkte verzog verächtlich das Gesicht.
    »Inga kommt nicht in Frage. Kuzenko hat sie angebetet, aber leider ist das Vergangenheit. Nach den Informationen, die mir vorliegen, ist er die Alte reichlich leid. Er hat sich klammheimlich ein Küken zugelegt, doch auch das kommt für unsere Zwecke nicht in Frage. Sie ist einfach zu unwichtig, als dass sie ein neuralgischer Punkt sein könnte.«
    »Wie kommen Sie darauf, dass Inga eine alte Frau ist?«, fragte Fandorin verwundert und biss sich auf die Zunge; seine Frage konnte ja so verstanden werden, als schlage er Frau Kuzenko für die Opferrolle vor.
    »Sie ist genauso alt wie mein Oleg und Kuzenko. Sie sind gleichaltrig, alle drei, wie sie da sind, Jungens und Mädels. Sie haben dieselben Lieder gesungen und dieselben Bücher gelesen. Sie waren nämlich in derselben Klasse. Wundert dich das? Kuzenko ist der große, schreckliche Zauberer von Oz in der Smaragdstadt. Meinst du, er rackert sich für andere ab, vergisst aber seine eigene Frau? Da siehst du mal, was er sich da für ein Püppchen zurechtgeknetet hat. Nur ist er es offenbar leid, sein eigenes Werk anzubeten. Nein, Nicki, seine Frau kommt nicht in Frage. Ich brauche das Töchterchen. An der hängt Kuzenko wirklich bis zur Selbstaufgabe.«
    »Nennen Sie mich bitte nicht Nicki«, bat er mit schmerzverzerrtem Gesicht.
    Im Wohnzimmer erlosch das Licht. Einige Augenblicke später hörte man einen begeisterten Aufschrei: Offenbar wurde die Geburtstagstorte mit den Kerzen hereingetragen.
    »Wie Sie wünschen, Nikolaj Alexandrowitsch.« Jeanne wurde auf einmal ganz ernst. »Ich kann Sie auch siezen, wenn Sie möchten. Hauptsache, Sie machen nicht im letzten Moment einen falschen Zug. Für meinen Kunden steht viel auf dem Spiel, und Ihre Person ist auf seinem Schachbrett noch nicht einmal so etwas wie ein Bauer, sondern, wenn’s hochkommt, eine Fluse. Ich brauche nur zu blasen, dann gibt es Sie nicht mehr. Das gilt natürlich auch für die neuralgischen Punkte, die Sie haben.«
    Sie schwieg, um ihre Worte auf ihn wirken zu lassen.
    Das taten sie auch, Nicholas ließ den Kopf hängen.
    Jeanne nahm seinen Oberarm und drückte mit den Fingern zu. Ihre Hände waren wie ein Schraubstock, sie hatten nichts von den Händen einer Frau.
    »Und jetzt hören Sie mal gut zu. Wenn die Gäste heute gegangen sind, fährt Kuzenko mit seiner Frau nach Moskau. Er hat morgen früh einen wichtigen Termin. Ein Partner von ihm, der Vorstandsvorsitzende des Pharmakonzerns › Grossbauer ‹ , hält sich im

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