Der Favorit der Zarin
Leninowitsch am Schluss sagte: »Hat jemand Fragen?«, meldete sich keiner der Zuhörer, der Verwalter kratzte nur seine Bürste und fluchte unflätig.
»Wenn es keine Fragen gibt, sind die Ausgangsbedingungen also klar«, hielt der Oberbefehlshaber fest. »Dann bitte Vorschläge. Igor, was malst du da?«
»Einen Plan, Mirat Leninowitsch. Bitte warten Sie einen Augenblick, gleich. Einen Schlachtplan ohne Karte gibt es nicht.«
Der Riese sprach mit der sanften, vernünftigen Stimme eines strebsamen Jungen, die schlecht zu seiner hünenhaften Gestalt passte. Ach ja, er hatte doch in Amerika studiert, fiel Nicholas ein, er hielt es nicht aus und fragte neugierig:
»Igor, was für eine Uni haben Sie eigentlich besucht?«
»Die Militärakademie West Point«, antwortete der Sekretär und hob irgendwelche Details seiner Zeichnung hervor, indem er mit einem roten Filzstift Kreise darum malte. »Bitte sehr.«
Alle beugten sich über den Plan, auf dem das Gut und die Umgebung zu sehen waren.
»Mein Vorschlag sieht folgendermaßen aus. Um Punkt vier verlassen der Mercedes und die beiden Jeeps das Gelände und fahren durch das Tor. Leer, nur mit den Fahrern. Das Sicherheitspersonal bezieht heimlich hier, hier und hier Posten und wartet. Um fünf Uhr dreißig schaltet Herr Fandorin, wie abgesprochen, den zwölften Sensor ab, der hier in diesem Sektor liegt. Der Gegner dringt durch dieses Quadrat auf das Territorium vor und gerät ins Kreuzfeuer, ausgelöst von den Positionen drei, vier und fünf. Nicht einer entkommt, so viel ist sicher.«
Die Aufstellung sah überzeugend aus, doch Mirat Leninowitschs Urteil war vernichtend:
»Du hast dich wohl beim Gewichtheben übernommen! Wenn du hier das Geschütz auffährst, das es gebraucht hätte, um die deutsche Wehrmacht bei Moskau zu zerschlagen, dann kann ich mein Kontrollpaket vergessen. Nein, meine Herren, wir müssen schon ohne Schießerei klarkommen. Und was sagst du, Lukjanowitsch?«
Der Verwalter saugte an seinem nach unten hängenden Schnurrbart, blinzelte listig und legte los.
»Was habe ich Ihnen damals gesagt, als Sie die Datscha bauten, Mirat Leninowitsch, wissen Sie das noch? Da haben Sie gefragt: Wofür brauchen wir einen Tunnel, was für ein Blödsinn! Ich habe Ihnen damals geantwortet: Zweihunderttausend Kröten, was ist das schon? Wer weiß, was passiert! Ein Tunnel kann nie schaden. Und wer hat Recht gehabt, na? Jetzt kommt uns der Tunnel zustatten.«
»Ja, ja«, sagte Kuzenko und drängte ihn: »Komm zur Sache.«
Der Verwalter zeigte mit seinem Raucherzeigefinger auf den Plan und sagte:
»Also hier. Das Mädchen gelangt durch den Tunnel zum Fluss. Da, hier kommt sie raus, an der Anlegestelle. Ich hab da ein Motorboot stehen, das jederzeit einsatzbereit ist. Sie selber und Inga Sergejewna fahren seelenruhig mit den Jungs nach Moskau. Man kann die Wagen nicht leer rausfahren lassen, die können sie mit Nachtsichtgeräten durchleuchten. Um halb sechs dringen die Schufte in das Haus ein. Da ist das Vögelchen ausgeflogen.«
»Ein toller Plan«, reagierte Mirat Leninowitsch prompt. »Einfach toll. Wir evakuieren Mira per Boot. Und dann ab in mein Flugzeug und nach Teneriffa.« Er wandte sich an Fandorin: »Und Sie, Nikolaj Alexandrowitsch, Sie fliegen mit Ihrer Familie ebenfalls dorthin. Und lassen sich die Sonne auf den Pelz scheinen, während ich mit Jasti aufräume. Er verletzt die Spielregeln, das kann man nicht durchgehen lassen. Dann können Sie zurückkommen. Du« – das galt Igor – »teilst Nikolaj Alexandrowitsch und Mira erstens zwei tüchtige Begleitpersonen zu. Sie sollen Mira zum Flughafen bringen; dort empfängt sie jemand. Sie sollen zweitens Nikolaj Alexandrowitschs Familie abholen, denn es kann sein, dass die Wohnung unter Beobachtung steht.«
Der Sekretär nickte.
»Lukjanowitsch, du wirst es schwer haben«, fuhr Kuzenko fort. »Madame Bogomolowa wird beleidigt sein, dass man sie ausgetrickst hat, und kann ausrasten. Also bitte keinen Widerstand leisten, komm nicht auf die Idee, den Helden zu spielen.«
»Was kann ich denn dafür?«, sagte Chodkewitsch achselzuckend. »Ich sage, das war so und so. Als die Gäste das Haus verlassen hatten, kam der Engländer zum Hausherrn ins Arbeitszimmer gelaufen, wo sie sich merkwürdigerweise einschlossen. Dann ging ein Gerenne los, und sie fuhren ab. Ich bin hier Verwalter, ein kleiner Fisch, ich bin für die Handtücher zuständig. Na, sie werden mir schon ein paarmal eine runterhauen, aber mir
Weitere Kostenlose Bücher