Der Favorit der Zarin
sagte, wir hatten etwas miteinander. Auf die Liebe?« Sie stießen auf die Liebe an. »Wir hatten also etwas miteinander, na und, gar nicht so schlecht. Hormone, Verliebtheit und so weiter und so fort. Nur reichte es Jasti nicht, ein Mädchen zu deflorieren, er musste damit auch noch vor seinen Altersgenossen angeben. Und so steht er also am nächsten Tag in der Pause (ich habe das nicht mit eigenen Augen gesehen, sondern später erzählt bekommen) und brüstet sich vor seinen Fans, während Mirat vorbeigeht. Dass der seit langem erfolglos hinter mir her war, wussten alle. Da dreht sich Jasti, dieser Dreckskerl, zu ihm um und trällert: › Jasti knackt den Pferdestall, Jasti knackt den Pferdestall. ‹ Und unterstreicht den Song mit eindeutigen Gesten. Was, Sie erinnern sich nicht daran? Ach so, ich vergesse immer, dass Sie Engländer sind. Das ist ein Hit aus der Sowjetzeit. Mein Mädchenname ist Konjuchowa, was so ähnlich wie Konjuschnja, der Pferdestall, klingt. Jastis Freunde kriegten sich nicht mehr ein vor Lachen; und als Mirat endlich verstand, worum es ging, stürzte er sich mit den Fäusten auf Jasti. Es kam zu einer wilden Schlägerei. Sie richteten Mirat übel zu. Als er im Anschluss daran zum Direktor gerufen wurde, hielt er den Mund und weigerte sich zu verraten, warum er sich auf den Klassenkameraden gestürzt hatte. Er flog wegen Rowdytums von der Schule, wobei da allerdings auch Jastis Papi seine Hand im Spiel hatte. Mirat machte seinen Abschluss an der Abendschule; tagsüber arbeitete er in einem Krankenhaus als Pfleger. Dann immatrikulierte er sich in demselben medizinischen Institut, in dem Jastis Papi seinen Sohn untergebracht hatte. Mirat wählte bewusst den Arztberuf, wie er mir später gestand. Er wollte sich rächen. Er träumte davon, ein Star in der Medizin zu werden, dem der miese Jastykow den Kittel reichen müsste. Wissen Sie, wie willensstark Mirat ist? Lassen Sie uns auf ihn anstoßen, ja?« Sie stießen auf Mirat Leninowitsch an. »In der Uni hatten sie, glaube ich, keinen Kontakt mehr miteinander. Sie studierten an verschiedenen Fakultäten, und auch die jeweilige Studentenszene unterschied sich: der eine gehörte zu den Zechbrüdern, der andere zu den Büfflern. Aber Mirat irrte sich, wenn er meinte, dass zu einer medizinischen Karriere nur Wissen und Talent gehören. Jasti hatte nie vorgehabt, Arzt zu werden; er wusste schon vor der Immatrikulation, dass sein Vater ihm eine Stelle im › Amt für Arzneiimport ‹ verschaffen würde. Aber gut, das hat Mirat Ihnen sicher schon selber gesagt. Lassen Sie mich lieber erzählen, wie wir geheiratet haben . . . 1990, wie lange nach der Schule ist das, achtzehn Jahre, ja? Nein, siebzehn. Ein halbes Leben also. Aber damals schien es mir auf einmal, als wäre das ganze Leben schon zu Ende. Ich traf Mirat zufällig in der Nähe der Arbeit. Das heißt, ich dachte, das sei Zufall, in Wirklichkeit hatte er das Treffen sehr wohl arrangiert. Er hatte mich die ganzen Jahre über nicht vergessen können, er liebte mich. Er wartete auf seine Stunde und war sich sicher, sie war gekommen. Ich hatte eine schreckliche Phase, einfach entsetzlich. Ich war frisch von meinem zweiten Mann geschieden. Er hatte sich so mies benommen! Auf einer Dienstreise in Amerika (er war ein KGBler) hatte er sich abgesetzt und die Freiheit gewählt. Er hatte das ganze Geld von der Bank abgehoben, hatte sogar heimlich unsere Moskauer Wohnung verkauft und es ausgenutzt, dass ich bei seiner Mutter gemeldet war. Ich war fix und fertig. Ohne Mann, ohne Geld, ohne eine eigene Wohnung, ohne ordentliche Arbeit. Früher habe ich gedacht, wenn du schön bist, kommst du immer an ein Kaviarschnittchen. Und da war ich auf einmal vierunddreißig, sah jede Menge jüngerer und schickerer schöner Frauen um mich herum und musste erkennen: von wegen Kaviar; sei froh, wenn du trockenes Brot hast. Das war der Moment, wo ich Mirat traf. Er war nicht wiederzuerkennen. Ein gestandener Mann, teuer gekleidet, und er fuhr einen Mercedes. Das war damals noch eine Seltenheit, im Jahre 1990. Wir gingen in ein Restaurant. Tranken einen und tauschten Erinnerungen aus unserer Schulzeit aus. Ich spüre, er ist immer noch Feuer und Flamme. Wie er mich ansieht, wie er schweigt! Frauen sehen so etwas sofort. Er erzählte, er habe nicht geheiratet, weil er keine Zeit dazu hatte, aber sein Blick besagte: › Wen denn, wen hätte ich denn heiraten sollen ? ‹ Er streichelte meine Hand – ganz vorsichtig, als
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