Der Favorit der Zarin
vorbei zur Küche, durch deren matte Scheibe Licht drang. Man hörte von dort eine Männerstimme, dann das Lachen einer Frau.
Der Auftraggeber und seine rechte Hand feierten das Gelingen der Operation. Allerdings gab es keine große Tafel, vor Jastykow standen nur eine Flasche armenischer Cognac und ein Glas. Jean-ne fächelte sich mit einem gefalteten Tausendrubelschein Luft zu. Nicht gerade viel als Honorar für eine so virtuose Arbeit, dachte Fandorin finster.
»Da ist ja auch unser Held!«, begrüßte ihn Jeanne. »Setzen Sie sich, Nikolaj Alexandrowitsch. Wir sitzen hier ganz zwanglos beisammen.«
Von diesem nicht besonders originellen Scherz war die Matadorin so begeistert, dass sie sich vor Lachen nicht mehr einkriegte. Sie holte eine runde Silberdose aus der Tasche, schüttete ein rosa Pulver auf den Schein und verteilte es mit dem Finger. Dann warf sie den Kopf in den Nacken und atmete tief ein.
»Sachte, meine Liebe, sachte«, sagte Oleg Stanislawowitsch. »Ich weiß, dass du hart gesotten bist, aber übertreib mal nicht.«
»Ich kenne mein Limit«, antwortete Jeanne und imitierte einen Alkoholiker, der lallt und mit den Augen auf seine Nase schielt. Und wieder folgte eine unbändige Lachsalve.
»Stehen Sie nicht herum wie eine Skulptur des Bildhauers Zereteli. Nehmen Sie Platz«, befahl Jastykow. »Kommen wir zur Sache. Jeanne hat ihre Arbeit praktisch beendet und zwar hervorragend, aber für uns beide, Fandorin, ist es jetzt noch zu früh zum Durchatmen. Was wissen Sie von mir?«
»Dass Sie ein Schwein und Betrüger sind«, antwortete Nicki verdrossen und spürte, dass er den Zustand erreicht hatte, wo Angst und Selbsterhaltungstrieb ihn nicht mehr bremsten, sondern er nur noch eins wollte: dass alles möglichst schnell vorbei wäre.
»Ach, Sie sprechen von diesem Verrückten. Übrigens, Jeanne, du hast immer noch nicht geklärt, woher er seine Kenntnisse im Sprengen hatte. Und wenn sich nun herausstellte, dass er doch kein Einzelgänger war?«
Sie antwortete sicher:
»Ausgeschlossen. Ich habe alle Kontakte, alle Bekannten durchleuchtet. Es handelt sich bei ihm garantiert um einen Spinner, der auf eigene Faust aktiv geworden ist. Was den Sprengstoff angeht, so hat er im Jahre 1986 eine Serie von Reportagen über unsere Sprengtrupps in Afghanistan gemacht. Da könnte er sich sein Wissen angeeignet haben, eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Das ist doch nun wirklich kein Kunststück, ein bisschen Plastiksprengstoff irgendwo anbringen und auf den Knopf drücken. Nur keine Panik, Oleg, darüber brauchst du dir nun wirklich nicht den Kopf zu zerbrechen.«
Jastykow wartete, bis die mit Kokain voll gepumpte Frau sich ausgekichert hatte, und fuhr fort:
»Gut, dann war er also nur ein Spinner. Aber über ihn ist Jeanne auf Sie gestoßen, Fandorin. Sie haben mir zu einem strategischen Vorsprung verholfen. Der Rest ist eine Frage der Technik. Aber auch da kommt es darauf an, nichts zu verpatzen.« Er blinzelte Nicholas auf einmal zu und fing verschwörerisch an zu flüstern: »Wissen Sie, warum Sie noch am Leben sind?«
»Nein«, antwortete Fandorin, der sich nicht im Geringsten über den geänderten Tonfall wunderte. »Warum?«
Jastykow setzte das Glas an den Hals, spülte sich mit der Flüssigkeit den Mund aus und schluckte sie hinunter. Seine Augen glänzten kaum weniger stark als die von Jeanne. Der Stratege hatte offenbar einiges intus.
»Weil Sie noch von Nutzen sein können.« Er hob bedeutungsvoll den Zeigefinger. »Morgen, oder richtiger: heute beginnen die Verhandlungen. Ein heikles Thema, wie Sie verstehen, so dass die Möglichkeit eines direkten Kontaktes ausscheidet. Da muss ein Vermittler her, und diese Rolle ist Ihnen einfach auf den Leib geschrieben. Der Kurze vertraut Ihnen, und wir . . . wir kitzeln Sie an den Eiern. Denn der Grund für Ihre Zusammenarbeit mit uns ist ja Ihre Vaterliebe, nicht wahr?«
»Tja, manchmal führt der Zeugungsphallus schnurstracks in die Mäusefalle«, sagte Jeanne und platzte dabei vor Lachen. »Sie haben doch hoffentlich Erast und Angelina nicht vergessen? Das kann doch wohl nicht sein, verehrter Baronet, oder?«
Nicholas zuckte zusammen. Auf einmal war ihm der Schleier vor den Augen weggerissen, der den ganzen Sadismus der Situation, in die der Magister geraten war, bisher barmherzig verhüllt hatte. Ja, es stimmte, es gab außer der Angst um das eigene Leben eine noch viel schlimmere Angst, die Angst um die, die du liebst. Was war er doch für ein
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