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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Stückchen, mir ist kalt.«
    Sie kroch zu ihm unter die Bettdecke und presste ihre eiskalten Füße an ihn.
    Immer mit der Ruhe, redete sich der in Panik geratende Nicholas ein. Das ist die unschuldige Angewohnheit eines Kindes aus dem Waisenhaus. Um sie nicht zu kranken, rutschte er vorsichtig ein wenig zur Seite, aber Mira rückte ihm sofort wieder auf die Pelle.
    »Du bist so schön warm! Und so lang wie die Natter in dem Buch › Die achtunddreißig Papageien ‹ .«
    Kinderbuch des russischen Gegenwartsautors Grigori Oster, der sehr populär ist. (Anmerkung der Übersetzerin)
    Sie prustete vor Lachen, stützte sich auf ihren Ellenbogen und sagte: »Er ist sonst so schüchtern. Als ob er sich vor mir schämt. Und da schreibt er hier: › Töchterchen ‹ . So hat er mich noch nie genannt. Dann ist er mir also nicht böse.«
    Nicholas hatte sich schon wieder in der Gewalt und verbot seinem Organismus unzweckmäßige Reaktionen. Was war denn schon dabei, wenn das Mädchen ihm die Hand auf die Schulter und das Knie auf die Oberschenkel gelegt hatte? Soll sich doch der schämen, den das auf schlechte Gedanken bringt.
    »Warum sollte er dir denn böse sein?«, fragte Fandorin. Er wollte dem Mädchen über den im Halbdunkel leuchtenden Kopf streichen, ließ das aber lieber – er hielt die Hand eine Weile in der Luft und nahm sie dann vorsichtig wieder herunter. »Du hast dir doch nichts zuschulden kommen lassen. Morgen ist alles wieder gut. Wir werden freigelassen, gehen zur U-Bahn, und dein Papa kommt uns abholen.«
    »Zur U-Bahn? Oh, da war ich noch nie. Ich habe gehört, da soll es unheimlich schön sein. Sie kutschieren mich ja die ganze Zeit in einem Auto mit verdunkelten Scheiben durch die Gegend. Der einzige Unterschied zu den Leuten hier ist, dass sie einem nicht die Augen verbinden.«
    Mira suchte eine bequemere Lage und rutschte hin und her. Nicholas fühlte, dass sein verfluchter Organismus eine primitive Sklavennatur hatte und außer Kontrolle zu geraten drohte.
    »Bleib liegen und wärm dich auf«, murmelte der Magister, während er aus dem Bett stieg. »Ich versuche herauszukriegen, in welchem Stadtteil von Moskau wir uns befinden.«
    Am Fenster atmete er auf. Er blickte auf die vom Neuschnee weiße Straße, auf die Häuser, in denen schon langsam die Lichter angingen. Es war sieben Uhr durch, bald begann der Arbeitstag.
    In die Decke eingewickelt, stellte sich Mira neben ihn. Ihr Köpfchen reichte Nicholas bis zum Ellenbogen.
    »Guck mal, was für ein Riesenklotz. Eins, zwei, drei, zehn, sechzehn, zweiundzwanzig Stockwerke! Und die vier Schlote da. Du bist doch aus Moskau. Sagt dir das denn nichts?«
    »Nein, es gibt in Moskau viele solche Stellen.«
    »Na, guck doch mal, da!« Sie stellte sich auf den Heizkörper und umarmte seinen Hals, die Wangen der beiden waren jetzt auf einer Höhe. »Am Himmel ist ein Lichtstreif!«
    »Na und?«
    »Wie, na und? Und so was will Lehrer sein! Wo geht die Sonne auf?«
    Ach ja, stimmte ja! Osten war rechts, in einem Winkel von circa fünfundvierzig Grad. Und das war wohl die Ringstraße, da, wo die Häuser sich lichteten. Was war das dann also für ein Bezirk von Moskau? Südost?
    Nein, Nordost.

ZWANZIGSTES KAPITEL
    LES LIAISONS DANGEREUSES oder
GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN
    (Laclos, 1782)
    »Nordwest, das ist die Himmelsrichtung, wo die Sonne unseres Reiches scheint, egal, was die geographische Wissenschaft behauptet. Eben dahin, zu den baltischen Wassern, werde ich morgen mit dem Herrn Wachtmeister der Kavalleriegarde eilen, auf dass wir uns in den Strahlen der Gnade unserer Kaiserin sonnen. Ich bin natürlich kein Engelchen oder Schatz, wie Ihre Majestät Euer Söhnchen zu nennen belieben, aber vielleicht wird auch mich irgendeine Belohnung erfreuen.« Prochor Iwanowitsch lächelte demütig. »Ein kleines Kreuz oder ein kleiner Stern, aber um wie viel teurer als all dies ist doch ein freundliches Wort unseres Mütterchens Zarin.«
    »Da kann es keinen Zweifel geben!«, pflichtete ihm Alexej Woinowitsch leidenschaftlich bei. »Ein Wort der Gunst des Monarchen, das ist für jeden edlen Menschen die höchste Auszeichnung. Die teuerste Reliquie unserer Familie, das ist die eigenhändig von Ihrer Majestät geschriebene, an Mithridates gerichtete Dankesbekundung: › In ewiger Dankbarkeit. Katharina«. Da ist sie, ich habe sie bis zu deiner Rückkehr aufbewahrt.« Vater nahm andächtig eine Notiz mit dem Schnörkelzug der Zarin aus einem Schränkchen und reichte sie seinem

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