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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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dritten Stunde nahm Jasti mir die Lampe ab. Ich bettelte und bettelte, doch er lachte nur. Schließlich hatte er genug damit gespielt und gab sie mir zurück, aber erst machte er das Glas kaputt. Einfach so, aus Gemeinheit. Und sagte dazu: › Na, Kurzer, jetzt kannst du sie zurückhaben. ‹ «
    »Da sehen Sie es doch«, sagte Nicholas erfreut. »Er hat sie also zurückgegeben!«
    »Und was, wenn . . .« Mirat Leninowitschs Stimme wurde leiser.
    »Wenn er mit Mira dasselbe macht wie mit der Taschenlampe? »Verste . . . verstehen Sie, was ich meine?«
    Fandorin schaute in das qualvoll verzerrte Gesicht des Unternehmers und spürte, wie ihm eine Gänsehaut über den Rücken lief. Er erinnerte sich, wie Jastykow auf Mirandas heraus gestreckte Zunge reagiert hatte: seine Augen hatten einen merkwürdigen Glanz angenommen, und seine fleischige Unterlippe war lüstern nach vorne gewölbt. Wie hatte Jeanne ihn noch genannt: einen »sexuellen Terroristen« ?
    Aber es hatte keinen Sinn, dieses ungute Thema weiterzuverfolgen, es war Zeit, die Unterhaltung in konstruktive Bahnen zu lenken. Das tat der Spezialist für gute Ratschläge denn auch:
    »Ich würde Ihnen raten, auf folgenden Bedingungen zu bestehen. Um Punkt zehn, wenn die Auktion beginnt, dürfen Mira und ich das Zimmer verlassen. Meinetwegen in Begleitung von Sicherheitspersonal, bis zu dem Zeitpunkt, da der Verkauf des Chemiekonzerns perfekt ist. Dann lässt uns das Sicherheitspersonal endgültig laufen. Ich finde, das ist ein Kompromiss, der beiden Seiten gerecht wird. Sollten Sie Jastykow betrogen haben, dann können seine Männer uns auf der Stelle erschießen. Das ist in einer Sekunde erledigt.«
    »Und wenn er mich betrügt? Wenn ich auf den Konzern verzichte und er sie trotzdem umbringt?«
    »Das glaube ich nicht«, antwortete Nicki und war stolz darauf, wie kaltblütig er war. »Wenn Jastykow aufgebracht ist und nach Rache lechzt, ist das etwas ganz anderes, als wenn er hat, was er will. Uns am helllichten Tag vor den Augen der Passanten umzulegen, ist ein Risiko. Er wird sich ein solches Geschäft nicht durch die Lappen gehen lassen, nur um Ihnen wehzutun. Ich habe diesen Mann gesehen, habe mich mit ihm unterhalten und mir eine klare Meinung über ihn gebildet. Natürlich ist er ein Schwein. Aber er handelt pragmatisch. Gemeinheiten machen, die ihm selber nur schaden, das tut er nicht.«
    »Einverstanden.« Mit einem nervösen Ruck riss sich Kuzenko die Brille von der Nase und rieb sich die Druckstelle. »Ein hervorragender Vorschlag. Jastykow wird nichts dagegen einzuwenden haben. Ich werde mit Ihnen über das Handy in ständigem Kontakt sein, dasselbe gilt für Jastykow und seine Gorillas. Ich selber werde allerdings nicht mit Ihnen sprechen können, das wird Igor tun. Sobald die Auktion beendet ist und Miranda und Sie frei sind, gehen Sie schnellstens . . . na, sagen wir zur nächsten U-Bahn-Haltestelle. Da warten Sie, bis man Sie abholt.«
    »Und wenn sie uns nicht freilassen, stimmen wir ein irres Geschrei an. Sie können mir schon glauben – ohne ein Nachspiel kommen die nicht davon.«
    »Sollte das geschehen, dann packe ich Jasti noch in dem Gebäude, wo die Auktion stattfindet, bei der Gurgel und mache so.«
    Kuzenko nahm die Tasse und drückte sie mit seinen dünnen Fingern zusammen. Das Porzellan zerplatzte, der Kaffee ergoss sich über Mirat Leninowitschs Handgelenk und die weiße Manschette, aber im Gesicht des Doktors regte sich keine Miene.
    Natürlich hatte das von einer Frau ausgeführte Kunststück mit dem zusammengedrückten Glas sehr viel effektvoller ausgesehen, zumal das Glas dicker war als die Porzellantasse, und doch war Nicholas beeindruckt von der demonstrativen Brutalität und der auffälligen Parallelität. Alle Raubtiere ähneln sich, ging es dem Magister durch den Kopf. Sie haben das gleiche Instrumentarium, unabhängig von Rasse und Größe: scharfe Zähne, Krallen und stählerne Muskeln.
    Kuzenko rieb sich mit der Serviette die Hand ab und sagte:
    »Ich bedanke mich nicht bei Ihnen, weil mir die Worte fehlen, um meine Gefühle auszudrücken. Sie wissen ja aus eigener Erfahrung, wie es einem Vater geht. . .«
    Er drehte sich zu dem Sekretär und gab ihm ein Zeichen.
    Igor näherte sich ihnen und überreichte eine Plastiktasche.
    Nicholas hob verwundert die Augenbrauen. Was sollte das denn? Ein Geschenk, mit dem er sich bedanken wollte?
    Verlegen bat Mirat Leninowitsch:
    »Geben Sie das bitte Mira. Das ist ihr

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