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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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sollten das »Teufelchen« nicht anrühren?
    Er musste dem Geheimrat von dem Orden der Satanskämpfer erzählen. Klar! Wenn der die Freimaurer so hasste, dann war er bei ihm an der richtigen Adresse. Er hatte die guten Freimaurer verfolgt, dann sollte er jetzt dasselbe mit den schlechten tun. Besonders der Große Magier würde ihn sicher interessieren.
    Auf dem Weg zu Mitjas Schlafzimmer hatten Georges und Malascha gestritten, wer den kleinen Herren entkleiden dürfte; er hatte beide weggeschickt, er wollte sich allein ausziehen.
    Kaum hatte er den Kaftan abgelegt, da kamen ihm die Gedanken, zuerst überstürzt, dann klarer.
    Er musste sofort zu Prochor Iwanowitsch.
    Er zog den Kaftan wieder an, da fiel aus der Manschette ein Zettel zu Boden.
    Was war das? Die Reliquie der Kaiserin? Nein, die hatte er in der Tasche.
    Ach ja, das hatte ihm Daniel zugesteckt. Zum Andenken.
    Es war der Brief des Großen Magiers. Das war genau das, was er jetzt brauchte – damit Maslow nicht dachte, die kindliche Phantasie sei mit ihm durchgegangen.
    Mitja entfaltete den Zettel, um ihn noch einmal mit eigenen Augen zu lesen. Aber vorher schaute er auf das rote Siegel am unteren Rand. So sah das Kappungszeichen also aus. Auf den ersten Blick wie eine Gänseblume mit Blütenblättern. Wenn man aber genauer hinsah, war das keine Gänseblume, sondern es handelte sich um zwei Kreuze mit verdickten, abgerundeten Enden: ein gewöhnliches Kreuz und ein Schräg-, also Andreaskreuz. Das war also die Form, in der dem Großen Magier die Teufelszeichen eingebrannt wurden. Komisch!
    Er wollte lesen, starrte aber wieder auf das Siegel. Irgendwo hatte er diese rote Blume schon einmal gesehen. An einer merkwürdigen, für eine Blume unpassenden Stelle.
    Und auf einmal sah es Mithridates: den weißen Steiß mit den blauroten Streifen von der Peitsche und auf dem Steißbein die stilisierte Gänseblume.
    Ach!
    Der Kaftan rutschte ihm aus den Händen und fiel hinunter. Mitja spürte, wie seine Knie einknickten, und schaffte es mit Ach und Krach auf seinen wackeligen Beinen bis zu dem Stuhl, auf den er sich fallen ließ.
    Oh, helles Licht der Vernunft!
    Nicht weil er ein Sodomit war, hatte der Geheimrat Maslow an einer intimen Stelle eine Tätowierung, da hatte sich der Peitschenschwinger Martin geirrt. Und jetzt wurde auch verständlich, warum Prochor Iwanowitsch der letzte Höfling war, der trotz der Mode eine Perücke trug. Was waren denn die Luziferzeichen? Klar: Hörner und Schwanz. Das war es, was bei dem Großen Magier »gekappt« wurde. Irgendwo auf dem Scheitel unter den Haaren musste Maslow noch zwei solche Zeichen haben von den Hörnern, die man ihm abgehackt hat.
    Aber wie das? Dann war also Metastasio gar nicht der Große Magier?
    Und der Grund, weshalb der Anführer der Satanophagen Mitja umbringen wollte, war also gar nicht das Gespräch, das dieser bei Hof auf dem Ofen mitgehört hatte?
    Was war denn dann der Grund?
    Womit hatte der Zögling der Zarin das Missfallen des Chefs der Geheimexpedition erregt?
    Das ist ganz einfach, antwortete Mithridates sich selber. Diese Gänseblume ist der Grund. Er hatte etwas gesehen, was keiner sehen durfte. Der Geheimrat hatte sich überlegt: Bildung und Verstand des Jungen entsprechen nicht seinem Alter . . . Nein, das war eine zu schmeichelhafte Variante. Es ging nicht um Mitjas Verstand. Maslow hatte Angst, der Junge würde erzählen, was für ein Schmuck auf dem staatsmännischen Hintern prangte. Wer von dem Kappungszeichen nichts gehört hat, der würde lachen und es vergessen, aber wenn die Information über die pikante Zierde des Geheimchefs zu jemand vordränge, der sich auskennt, dann wäre Maslow geliefert. Wie sollte das zu vereinen sein: Verantwortlicher für die Sicherheit Ihrer Majestät und Oberhaupt eines Geheimordens? Verfolger der Freimaurer und selbst der Geheimste aller Freimaurer! Das würde Prochor Iwanowitsch den Kopf kosten.
    Noch nie hatte Mitjas Kopf mit einer solchen Schnelligkeit gearbeitet, noch nicht einmal, wenn er Rechenaufgaben löste.
    Wie listig Maslow war, wie umsichtig! Sämtliche Logen hatte er aufgelöst, seinen eigenen Orden aber gefestigt. Die Informationen, die er auf Geheiß der Kaiserin über die Geheimgesellschaften sammelte, nutzte er aus, um vorher zu prüfen, ob er nicht jemand von diesen Leuten brauchen konnte.
    Brauchen wofür?
    Das war doch klar, wofür. Vondorin hatte doch gesagt, was die falschen Freimaurer wollten: die Macht.
    Mitja kratzte sich im

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