Der Favorit der Zarin
hielt, wurde er zum Studenten Ihrer Majestät ernannt. Er war der Einzige im ganzen Reich mit dieser hohen Auszeichnung. Er hatte außerdem auch weniger seltene Auszeichnungen, um die er zu beneiden war. Erstens kam Mitja in den Genuss einer Erhöhung seines militärischen Dienstgrades: früher war er außerplanmäßiger Korporal im Kavallerieregiment gewesen, während er jetzt Wachtmeister vom Dienst war, was dem Rang nach der Stufe eines Armeehauptmanns entsprach. Zweitens wurden seinem Vater für die Erziehung des wunderbaren Knaben der Orden des heiligen Wladimir und fünftausend Rubel in Silber geschickt. Die Erlaubnis, dass Vater und Mutter herkämen, bekam er allerdings nicht (was seinen Bruder Endimion betraf, so legte sich Mitja eingedenk der Schläge und der zerquetschten Frösche erst gar nicht ins Zeug). »Ich will dir eine Mutter und Platon Alexandrowitsch soll dir ein Vater sein«, antwortete Katharina auf seine Bitte. »Deinen Eltern schenke ich als Trost dafür eins der neuen Dörfer in Polen. Da gibt es viel Land und viele Bauern, das reicht für alle.« Mitja war zu diesem Zeitpunkt schon verständig und wusste, dass sie den Favoriten nicht verdrießen wollte: Fürst Surow duldete keine schönen Männer in der Nähe der Autokratin. Es gab sogar Familien, denen es gelang, ihren hübschen Sprösslingen auf diese Weise eine glänzende Karriere zu ebnen. Sie schickten so einen jungen Schönling an den Hof, wo er ein, zwei Tage Seiner Durchlaucht ein Dorn im Auge war, und siehe da, man schickte ihn als diplomatischen Boten los oder auf einen hohen Posten in die Armee; einer, ein Bildhübscher, war sogar als Gesandter an einen ausländischen Hof geschickt worden. Das Einzige, was Surow interessierte, war, dass er möglichst lange und möglichst weit weg war.
Mitja war also mutterseelenallein, oder, wie sich der Witzbold Lew Alexandrowitsch Kukuschkin ausdrücken würde, es ging ihm alles-in-Butter-so-fein, denn viele würden, wenn sie dafür so gut leben könnten, liebend gern Heimweh auf sich nehmen.
Man stellte dem Studenten eine eigene Wohnung zur Verfügung, in der Nähe der Gemächer Ihrer Majestät, mit Blick auf den Schlossplatz. Er bekam Diener, man stellte Lehrer für ihn an, und um die Gesundheit des unschätzbaren Kindes kümmerte sich der Leibarzt Cruise höchstpersönlich.
Mitja lebte im Luxus, war aber sehr viel eingeengter als in Trost.
Er stand nicht auf, wann er wollte, sondern wenn es noch dunkel war, um sechs, sobald die Schlossglocke schlug: Länger durfte keiner schlafen, denn Ihre Majestät geruhte, bereits auf den Beinen zu sein. Die Morgenwäsche sah so aus: Damit es Mithridates leichter fiele, seine schläfrigen Augen zu öffnen, rieb ihm ein Diener mit einem in Rosenwasser getauchten Schwamm über die Augenlider; dann führte man das unschätzbare Kind in das Bad, wo von einer Pumpe hochgesaugtes Wasser aus einem Bronzerohr floss, und zwar nicht eiskaltes, sondern warmes. Nur die Zähne putzte er sich eigenhändig, über die Reinigung der anderen Körperteile wachten zwei Diener, der eine, ein Älterer, war für alles oberhalb der Brust zuständig, der andere für das, was darunter lag.
Kleidung und Schuhe für den Liebling der Kaiserin wurden von einem ganzen Heer höfischer Schneider und Schuster innerhalb von zwei Tagen hergestellt. Die Gewänder, insbesondere die für Festtage, waren von einer unbeschreiblichen Schönheit; manche waren mit Edelsteinen besetzt und mit Goldstickerei verziert. Dieser ganze Reichtum nahm ein eigenes Zimmer in Anspruch, das Garderobe hieß. Schade war nur, dass er die Kleidung nicht selbst aussuchen durfte. Diese wichtige Angelegenheit oblag einem Kammerdiener. Der wusste genau, ob starker Frost herrschte und was heute in Mithridates’ Terminkalender stand. Er erkundigte sich nicht nach Mitjas Wünschen, sondern reichte ein Gewand, das der Etikette und dem Anlass angemessen war. Für die verschiedenen Anlässe musste er sich sieben- bis achtmal pro Tag umziehen.
Sobald man ihn angezogen hatte, übergab man ihn dem Coiffeur, der ihm die Haare kämmte, sie mit Speck einrieb und mit Puder bestreute.
Dann gab es Frühstück. Das Essen war im Winterpalais schlecht, zum einen, weil die Kaiserin nicht sonderlich wählerisch war – ihr Lieblingsgericht war gekochtes Rindfleisch mit Salzgurken –, aber auch deshalb, weil Ihre Majestät nie die Köche ausschimpfte – sie hatte Angst, es könnte einer beleidigt sein und ihr Gift ins Essen streuen.
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