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Der FC Bayern und seine Juden

Der FC Bayern und seine Juden

Titel: Der FC Bayern und seine Juden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Schulze-Marmeling
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der »Schriftenreihe des Deutschen Fußball-Bundes« erschienen ist. Autor des voluminösen Werks mit dem Titel »Geschichte des deutschen Fußballsports« ist Carl Koppehel, von 1937 bis 1945 und von 1951 bis 1958 Pressewart des DFB. (Bei seinem zweiten Amtsantritt 1951 hieß diese Abteilung beim DFB »Amt für Presse und Propaganda«…) Als Koppehel im November 1947 von den amerikanischen Besatzungsbehörden in Berlin vorgeladen wurde, lautete das Fazit der Vernehmung: »Herr Koppehel sieht heute noch nicht ein, dass es ein Fehler war, bei den Nazis mitgemacht zu haben.«
    Auch in seiner durchaus faktenreichen und interessanten Fußballgeschichte ist von Schuldbewusstsein nichts zu spüren. Koppehels Werk avanciert zur quasi offiziellen Chronik des DFB und wirkt viele Jahre stilbildend für den Umgang mit der NS-Zeit. Auf den 28 A4-Seiten, die sich dem Zeitraum 1933 bis 1945 widmen, kommt das Wort »Nationalsozialismus« genau einmal vor. Der Ausschluss der Juden aus dem deutschen Fußball und die Rolle, die der DFB und seine Vereine dabei spielten, bleiben unerwähnt.
    Ihre Namen lassen sich aber nicht durchgehend verschweigen. Sowohl zu Walther Bensemann wie zu Gus Manning finden sich bei Koppehel Einträge. Und Koppehel vergisst auch nicht, Mannings »große Verdienste um die Wiederaufnahme des DFB in die FIFA« zu loben (obwohl Manning, wie erwähnt, in Wahrheit in dieser Frage eher skeptisch war). Julius Hirsch taucht in einem Spielkader auf, die Ermordung des jüdischen Nationalspielers ist indes keiner Erwähnung wert. Und der ehemalige jüdischen Präsident von Tennis Borussia Berlin, Alfred Lesser, bleibt ebenso aus der Geschichte herausgeschrieben wie die ebenfalls jüdische Journalistenlegende Willy Meisl, Bruder des österreichischen Verbandskapitäns Hugo Meisl. Lesser, der 1939 in die USA flüchtete, war immerhin Koppehels Arbeitgeber und Gönner ge wesen; und Willy Meisl, der 1934 nach London emigrierte, ein ehemaliger Co-Autor des DFB-»Chefhistorikers«.
    Sofern die deutschen »Fußball-Juden« erwähnt werden, kommen sie nicht als Juden vor. Walther Bensemann »emigriert 1933 in die Schweiz«. Der Grund seiner Emigration wird nicht genannt. Das Wort »Jude« wird tunlichst vermieden, könnte es doch das Bild einer harmonischen Fußballfamilie und bruchlosen Geschichte stören. In diesem Zusammenhang ergibt auch die Behauptung ihren Sinn, Manning habe sich in der FIFA nach 1945 für die »alte Familie« starkgemacht.
    Vor 1933 mag es uninteressant gewesen sein, wer unter den deutschen Fußballaktivisten Jude war oder nicht. Nach 1945 ist dies zwangsläufig anders. Das Verschweigen einer jüdischen Identität kommt daher einer »Arisierung« ihrer Leistungen gleich. Dieses Verschweigen, diese »Arisierung« hat zur Folge, dass – wie es Raphael Gross, Direktor des Jüdischen Museums in Frankfurt, im November 2010 formuliert – »wir das Gefühl haben, man müsse den Deutschen immer noch zeigen, wie groß der jüdische Beitrag zu dem ist, was sie als Kultur betrachten«. Im kollektiven Bewusstsein der Deutschen war mit der Vertreibung und Vernichtung der Juden nicht wirklich etwas verloren gegangen.
    Erst 21 Jahre nach dem Koppehel-Buch rührt sich eine Stimme des Protestes. Als der DFB 1975 im Frankfurter Festspielhaus sein 75-jähriges Jubiläum feiert, liest Festredner Walter Jens dem deutschen Fußball in Sachen Vergangenheitsbewältigung die Leviten. Mit dem Ergebnis, dass die DFB-Führung um Hermann Neuberger den renommierten Tübinger Rhetorik-Professor fortan zur Persona non grata erklärt.
    Im Festbuch von 1975 darf sich noch einmal der altgediente Journalist Ernst Werner ausbreiten, der sich bereits einige Jahre vor der nationalsozialistischen Machtübernahme antisemitisch geäußert hatte, als er anlässlich des FIFA-Kongresses 1928 Österreichs jüdischen Verbandskapitän Hugo Meisl in der »Fußball-Woche« so beschrieb: »Im Plenum sitzt Hugo Meisl, der Wiener Jude, mit der Geschmeidigkeit seiner Rasse und ihrem zersetzenden Sinne einer der größten Kartenmischer. Er und der deutsche Fußballführer Felix Linnemann (…) sind die stärksten Gegensätze, die man sich denken kann. Der eine ein Vertreter des krassen Geschäftemachens im Fußball, der andere ein Apostel des Amateurismus.« Werner wäscht nun seinen ehemaligen Mitstreiter, den »Fußball-Führer« Linnemann, rein – und damit auch sich selbst.
    Kurt Landauer und das Vergessen
    Während man beim DFB seine Juden aus der

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