Der FC Bayern und seine Juden
Geschichte schreibt, geraten sie beim FC Bayern im Laufe der Zeit schlicht in Vergessenheit – wenngleich hier keine Leute am Werke sind, die ein persönliches Interesse an beschönigenden Betrachtungen und Unterschlagungen haben müssen.
Die Festschrift zum 50-jährigen Vereinsjubiläum (1950) ist noch ein Kontrastprogramm zum späteren Koppehel-Werk. Die Autoren – u.a. Siegfried Herrmann und Hans Schiefele – beschäftigen sich ausführlich mit der NS-Zeit und den Widersprüchen innerhalb des Klubs. Täter und Opfer werden namentlich genannt und nicht in einen Topf geworfen.
Vor 1933 hat der FC Bayern kein Aufheben um seine Juden gemacht. Warum auch? Ihr Mitwirken war so selbstverständlich wie das von Katholiken oder Protestanten. Nur in der unmittelbaren Nachkriegszeit erwähnt der Klub seine Juden und benutzt sogar den Begriff »Judenklub«, um gegenüber den Alliierten und dem neuen Stadtoberhaupt seine saubere Weste und seinen Opferstatus herauszustreichen. In der 50-Jahre-Schrift kommt das »J«-Wort schon nicht mehr vor. Es hat seine Schuldigkeit getan. Möglicherweise ist dies auch eine Konzession an die nicht gerade judenfreundliche Stimmung in der Stadt. Auch Kurt Landauer scheint an keiner Erwähnung gelegen zu sein. Im Übrigen hat Landauer selbst die »Juden-Karte« nie gezogen; als der Klub diese ausspielte, weilte er noch im Schweizer Exil.
Das große Vergessen beginnt aber erst im Laufe der 1950er Jahre. Als Landauer am 21. Dezember 1961 stirbt, ist in der Vereinszeitung keine Rede davon, dass er Jude ist. Im Nachruf werden für seine Abwesenheit zwischen 1933 und 1947 »politische Gründe« angeführt. Über dem Text steht ein Kruzifix.
Als der FC Bayern 1975 sein 75-Jähriges feiert, erscheint ein Buch von Kurt Schauppmeier, das den Machtwechsel von 1933 und dessen Folgen mit nur einem Satz bedenkt: »Die Machtübernahme der Nationalsozialisten wirkte sich auch auf den FC Bayern aus, dessen erster Vorsitzender Kurt Landauer die Leitung des Club abgab.« Warum Kurt Landauer die Leitung »abgab«, in welchem Zusammenhang der erste Teil des Satzes mit seinem zweiten Teil steht, bleibt im Dunkeln. Das »J«-Wort kommt nicht vor.
Die offizielle Vereinschronik zum 90-Jährigen fällt dann diesbezüglich um einen Satz länger und konkreter aus: »Unter dem nationalsozialistischen Regime geriet auch das Vereinsleben ins Stocken. Kurt Landauer musste aus ›rassenpolitischem‹ Gründen in die Schweiz emigrieren.« Immerhin wird klar, dass Landauer nicht ganz freiwillig zurücktrat. Welcher Art die »rassenpolitischen Gründe« waren, die gegen Landauer sprachen, bleibt weiterhin der Spekulation überlassen.
Zehn Jahre später, der FC Bayern feiert seinen 100. Geburtstag, stehen sogar fünf Sätze auf dem Papier: »Am 30. Januar 1933 übernimmt Adolf Hitler die Macht. In den folgenden Monaten wird nicht nur sportlich alles auf den Kopf gestellt. Präsident Landauer, der jüdischer Abstammung ist, tritt am 22. März 1933 zurück. Die Vereinsführung versucht noch eine Weile, sich den neuen Begebenheiten entgegenzustellen, da der FC Bayern sehr viele jüdische Mitglieder hat. Dies bringt dem Verein in der Folgezeit noch viel Ärger ein.« Der entscheidende Fortschritt besteht darin, dass erstmals der Grund für Landauers Abdanken genannt wird: Der Mann ist Jude, wie auch andere Mitglieder des Klubs.
Zu diesem Zeitpunkt lässt sich dies allerdings auch gar nicht mehr anders darstellen. Denn drei Jahre zuvor waren zwei Bücher erschienen, in denen das »jüdische Vermächtnis« des FC Bayern und die Person Kurt Landauer ausführlicher behandelt wurden.
Rückkehr in die nationale Fußballgeschichte
Es dauert fast 60 Jahre, bis diejenigen, die aus dem deutschen Fußball hinausgeschrieben oder schlichtweg vergessen wurden, wieder Einlass in dessen Geschichte finden.
Die Anstöße hierzu kommen nicht von offiziellen Fußballinstitutionen, sondern von kritischen Wissenschaftlern und Journalisten, aber auch von Fan-Initiativen, denen dabei anfangs seitens der Verbände und Vereine jegliche Unterstützung verweigert wird. Die Reaktionen reichen von Desinteresse bis zur unverhohlenen Missbilligung. Immerhin sieht sich der DFB veranlasst, Ende 2001 eine Studie über den deutschen »Fußball unterm Hakenkreuz« in Auftrag zu geben, die 2005 erscheint und heftige Kontroversen auslöst. Kritiker werfen dem Autor Nils Havemann vor, das Verhalten der DFB-Funktionäre in der NS-Zeit zwar benannt, aber allzu
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