Der FC Bayern und seine Juden
verständnisvoll erklärt zu haben.
Doch es verändert sich vieles. 2004 wird Dr. Theo Zwanziger Präsident des DFB. Zwanziger entdeckt nun den beim Verband in Vergessenheit geratenen »jüdischen Fußball-Pionier Walter Bensemann, Gründungsmitglied des DFB und vieler bis heute populärer Vereine« wieder und preist dessen Vision vom »Menschen in ihrer bunten Vielfalt verbindenden und dadurch Frieden schaffenden« Fußball.
2005 ruft der DFB den »Julius-Hirsch-Preis« ins Leben, mit dem der Verband »an den deutsch-jüdischen Fußball-Nationalspieler Julius Hirsch und an alle, insbesondere die jüdischen Opfer des nationalsozialistischen Unrechtsstaates (erinnert). (…) Der DFB gedenkt so seiner jüdischen Mitglieder und erinnert an ihre vielfältigen und prägenden Verdienste im deutschen Fußball. Er stellt sich seiner Geschichte und Verantwortung in der Zeit des Nationalsozialismus.«
Mit dem Preis sollen nun alljährlich Personen, Initiativen und Vereine ausgezeichnet werden, »die sich als Aktive auf dem Fußballplatz, Fans im Stadion, im Verein und in der Gesellschaft beispielhaft und unübersehbar einsetzen für die Unverletzbarkeit der Würde des Menschen und gegen Antisemitismus und Rassismus, für Verständigung und gegen Ausgrenzung von Menschen, für die Vielfalt aller Menschen und gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit«.
Im April 2006 wird Walter Jens rehabilitiert. Auf einem Symposium in der Evangelischen Akademie Bad Boll würdigt Zwanziger den langjährigen DFB-Kritiker als »eine große Persönlichkeit« und zitiert aus dessen Frankfurter Rede.
»Ein bisschen peinlich«
Beim FC Bayern herrscht auch nach der 100-Jahre-Schrift erst einmal die große Ahnungslosigkeit. Ein Vorfall vom März 2001 demonstriert dies am deutlichsten. In diesem Monat verliert der Verein in der Champions League bei Olympique Lyon mit 0:3. Beim anschließenden Bankett beschimpft Franz Beckenbauer seine Erben als »Scheiß-Mannschaft«. An der Säbener Straße herrscht miese Stimmung, was auch eine Journalistin der in London erscheinenden Zeitschrift »Totally Jewish« zu spüren bekommt, als sie am Tag nach dem Lyon-Debakel beim FC Bayern anruft, um etwas über Kurt Landauer zu erfahren. Ein völlig im Hier und Jetzt gefangener Bayern-Angestellter gibt der perplexen Dame zu verstehen, dass ihn dieser »alte Scheiß nicht interessiert« – jedenfalls nicht im Angesicht der Niederlage von Lyon.
Uli Hoeneß wird sich später in ähnliche Richtung äußern: »Ich war zu der Zeit nicht auf der Welt.« Von den Bayern-Granden weiß nur einer um die Bedeutung von Landauer. Bayern-Vizepräsident Hans Schiefele: »Er war ein Mann, der die Bayern geprägt hat wie kein anderer. Die Alten wissen das noch, aber die Jungen interessieren sich nicht mehr dafür.«
Anfang 2001 erreicht die Diskussion über die Entschädigungszahlungen an ehemalige NS-Zwangsarbeiter auch den Profifußball. Als erster Verein sagt der FC St. Pauli seine Beteiligung an der Stiftungsinitiative zu. Auch an der Säbener Straße steht das Thema auf der Tagesordnung. Der FC Bayern plädiert für eine einheitliche Regelung und Absprache der Bundesliga. Ein unilaterales Vorpreschen à la FC St. Pauli lehnt man ab. Schließlich, so Geschäftsführer Karl Hopfner, sei der Klub »selbst von dem Nazi-Regime betroffen gewesen«. 50 Jahre nach seiner Abwahl ist Kurt Landauer für einen Moment noch einmal wichtig für den Klub.
2002 organisiert der Lehrstuhl für jüdische Geschichte und Kultur der Universität München eine Tagung mit dem Titel: »Juden und Sport. Zwischen Integration und Exklusion«. Aus diesem Anlass kommt eine Reihe ausgewiesener Experten nach München. So Moshe Zimmermann (Professor und Direktor des Richard-Koebner-Zentrums für Deutsche Geschichte an der Hebräischen Universität in Jerusalem und 2010 Mitverfasser einer Studie über die Rolle des Auswärtigen Amts in der NS-Zeit), Daniel Wildmann (stellvertretender Direktor des Leo-Baeck-Instituts in London), John Efron (Professor für Jüdische Geschichte an der University of California in Berkeley) und John Bunzle (Dozent am Institut für Internationale Politik in Wien).
Professor Michael Brenner, dessen Lehrstuhl die Tagung durchführt, sucht die Kooperation mit dem FC Bayern, bleibt aber erfolglos. Brenner: »Leider kam sehr wenig Reaktion. Mein Eindruck war, dass die jüdische Geschichte dem Verein eher ein bisschen peinlich war.«
Bald kursiert der hässliche Verdacht, der FC Bayern
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