Der FC Bayern und seine Juden
hielte das »Juden-Thema« klein, weil er negative Auswirkungen auf den asiatischen Markt befürchte. Doch auch in Bayern selbst ist das Thema nicht nur populär. Das München und Bayern um die Jahrtausendwende sind nicht das München und Bayern des Kaiserreichs, der Weimarer Republik, der NS-Zeit und auch nicht das der Nachkriegsjahre. Aber dass der Antisemitismus aus München und Bayern völlig verschwunden wäre, lässt sich nicht behaupten.
Es hat schon seinen Grund, warum es nach dem Ende des Regimes noch 48 Jahre dauert, bis ein bayerischer Ministerpräsident das ehemalige KZ in Dachau aufsucht. Im März 1993 besucht Max Streibl die Gedenkstätte und bricht mit der unseligen Tradition, der zufolge die Spitze des Freistaates lieber einen weiten Bogen um das Thema machen sollte. Zwei Jahre später ist auch sein Nachfolger Edmund Stoiber erstmals in Dachau, um den 50. Jahrestag der Befreiung des KZs zu begehen. Ebenso am 2. Mai 2003, als die neue Ausstellung in der KZ-Gedenkstätte der Öffentlichkeit übergeben wird. Vor mehreren hundert Gästen, darunter zahlreichen ehemaligen Häftlingen, würdigt Edmund Stoiber als Hauptredner die Neugestaltung der Gedenkstätte und verweist auf die Verpflichtung, die Erinnerung an die Schrecken des Nazi-Regimes wachzuhalten.
Bis auch der FC Bayern den Weg nach Dachau findet, wird es noch einige Jahre dauern.
Von Tel Aviv nach Teheran
Aber parallel zu den Entwicklungen beim DFB beginnt sich auch beim Rekordmeister etwas zu bewegen. Am 15. September 2004 reist der FC Bayern in der Gruppenphase der Champions League nach Tel Aviv, wo Debütant Maccabi auf den deutschen Rekordmeister wartet. Maccabi, 1906 im damals noch osmanischen Palästina am Vorabend des Pessach-Fests gegründet, ist Israels ältester und größter Verein und dort so geliebt und gehasst wie in Deutschland der FC Bayern. Für Maccabi-Coach Nir Klinger ist mit der Qualifikation für die europäische Eliteklasse ein Traum in Erfüllung gegangen: »Für uns ist es wie ein Fest.«
Getrübt wird die Freude lediglich durch die Terminansetzung. Am 15. September feiert Israel das jüdische Neujahrsfest Rosch HaSchanah. Die israelische Regierung bittet um eine Vorverlegung des Spiels um einen Tag. Maccabi Tel Aviv befürchtet halbleere Ränge im Nationalstadion Ramat Gan, sollte es beim Mittwochabend bleiben. Bayern-Präsident Franz Beckenbauer unterstützt das Ansinnen der Israelis: »Bei uns würde am Weihnachtsabend wohl auch niemand zum Fußball gehen.« Und Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender der Bayern AG, gegenüber der »Jüdischen Allgemeine«: »Ich habe mit dem Präsidenten von Maccabi telefoniert und ihm gesagt, dass wir bereit wären, das Spiel von Mittwoch auf Dienstag zu verlegen, um den religiösen Interessen Israels gerecht zu werden.«
Doch die UEFA zeigt sich so unsensibel wie unflexibel. Maccabi hat sich erst einen Tag vor der Auslosung für die Champions League qualifiziert. Terminliche Änderungswünsche sind laut Statut immer vor der Auslosung bekanntzugeben. Formal gesehen haben die Funktionäre recht. Dennoch moniert Beckenbauer die »mangelnde Flexibilität von Seiten der UEFA«: »Ich weiß nicht, was das Problem der UEFA war. Wir wollten ja helfen, aber wir konnten nicht.« Auch Rummenigge ist seiner Meinung: »Das hätte man bei der UEFA vielleicht etwas großzügiger handhaben können.«
Beckenbauer empfiehlt den Spielern, die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem in Jerusalem zu besichtigen: »Sie sollen dorthin gehen, es wäre gut für die Spieler. Es ist ein bewegender und beeindruckender Ort.« Er selbst ist dort bereits 1987 gewesen, in seiner Funktion als Teamchef der deutschen Nationalelf, die damals das erste Mal in Israel spielte.
Im Bayern-Kader fehlt der Iraner Vahid Hashemian, den, so heißt es offiziell, Rückenprobleme plagen. Zuvor war spekuliert worden, ob Hashemian die Reise nach Israel antreten würde. Seit der islamischen Revolution vor 25 Jahren hat kein iranischer Sportler mehr israelischen Boden betreten. Sogar sportliche Vergleiche mit Israelis auf neutralem Boden sind durch die Machthaber in Teheran untersagt. Ein Sprecher der iranischen Sportorganisation gegenüber der iranischen Nachrichtenagentur ISNA: »Die Gesetze im Iran sind klar und deutlich: Jegliche Reisen von iranischen Sportlern nach Israel, ob nun als Einzelathleten oder im Team, sind gesetzlich verboten.« Wer das Gesetz nicht einhalte, müsse »mit Konsequenzen rechnen«. Hashemian kommt
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