Der FC Bayern und seine Juden
um Einsatz und Konsequenzen herum.
In Tel Aviv verzichten die Bayern auf ihre schwarze Auswärtskluft, da diese Assoziationen zur Uniform der SS hervorrufen könnte. Trotz des Nationalfeiertags kommen immerhin gut 20.000 Zuschauer ins Nationalstadion in Ramat Gan. Der FC Bayern erringt einen knappen
1:0-Auswärtssieg, den der niederländische Goalgetter Roy Makaay in der 64. Minute vom Elfmeterpunkt aus markiert.
Bemerkenswerter ist die Initiative, die der Klub selbst ergreift: ein Freundschaftsspiel seiner U17-Elf gegen eine israelisch-palästinensische Auswahl des »Peres Center for Peace«, zu dem 50.000 Schulkinder in die Allianz Arena kommen. Die Aktion bringt dem FC Bayern 2005 nach dem vierten »Double« aus Meisterschaft und Pokal als Zugabe noch den Julius-Hirsch-Preis des DFB ein. Karl-Heinz Rummenigge bedankte sich bei der Preisverleihung mit den Worten: »Wir sind über diese Auszeichnung genauso stolz und glücklich wie über unsere sportlichen Erfolge!« Die mit dem Preis verbundenen 20.000 Euro geben die Bayern an die Israelitische Kultusgemeinde in München weiter.
Ein Jahr später darf auch »Kaiser« Franz Beckenbauer einen Preis entgegennehmen, der nach einem deutsch-jüdischen Fußballenthusiasten benannt ist. Die Deutsche Akademie für Fußballkultur und der »Kicker« verleihen im WM-Jahr 2006 erstmals den Walther-Bensemann-Preis – in Anerkennung von Beckenbauers Verdiensten rund um das »Sommermärchen« und seiner Rolle als »Symbolfigur des gastfreundlichen Deutschlands«.
Ebenfalls 2006 reist der FC Bayern in den vom Antisemiten Mahmud Ahmadinedschad regierten Iran, kassiert dafür 250.000 Euro und tut etwas für den asiatischen Markt. Im Januar, mitten im eskalierenden Konflikt um das iranische Atomprogramm, unterbrechen die Bayern ihr Trainingslager in Dubai, um im 100.000 Zuschauer fassenden Teheraner Azadi-Stadion ein Testspiel gegen Persepolis Teheran zu bestreiten. »Wir spielen für das iranische Volk, nicht das Regime«, versucht Manager Uli Hoeneß die Kritiker zu beruhigen. Die Gastgeber sehen dies anders: »Die politischen Aspekte sind für uns genauso wichtig wie die finanziellen«, sagt Persepolis-Vorstandschef Mohammed-Hassan Ansarifard. Der Besuch der Bayern zeige, »dass es keine politischen Bedenken gegen den Iran gibt«. Auch Irans Sportminister Ali Abadi betont die »politische Bedeutung« des Spiels.
Bei ihrer Ankunft in Teheran werden die Bayern in einen Nebenraum des Flughafens geführt, der sonst nur Staatsgästen vorbehalten ist. Bis auf Trainer Felix Magath und Uli Hoeneß erscheint der Bayern-Tross komplett im Trainingsanzug – um den rein sportlichen Charakter der Reise zu unterstreichen. Allerdings kann auch Hoeneß nicht verhindern, dass während der Fernsehübertragung des Spiels quer über den Bildschirm in englischer Sprache Propaganda für Irans Atomprogramm läuft.
Traditionsbewusste Ultras
Die Themen »Kurt Landauer« und »Bayern-Juden« haben derweil auch die Fanszene des Klubs erreicht. Als lautstärkste und engagierteste Akteure einer Erinnerungskultur profilieren sich die traditionsbewussten Ultras der »Schickeria München«, die ihren Namen einem Song der Münchner Band »Spider Murphy Gang« entlehnt haben, in dem es heißt: »Ja mei, wia kommst denn du daher, a weng ausgeflippt muasst scho sei, sonst lasst di der Gorilla an der Eingangsdia ned nei, ins Schickeria.« Ein Mitglied der Gruppe: »Gorillas haben wir zwar keine, aber ein bisschen ausgeflippt sollte man als Schickeria-Mitglied schon sein. Ausgeflippt in Sachen FC Bayern, ausgeflippt seine Liebe zum FC Bayern zu beweisen.« Der Name der Gruppe zeuge von einer gewissen Selbstironie, »da wir doch gar nicht in die typischen Klischees über München und die Münchner Schickeria reinpassen.«
Schickeria kommt vom italienischen Sciccheria und steht dort für Schick und Eleganz. Das Internet-Lexikon Wikipedia sieht das jiddische/jüdisch-deutsche Wort »schickern« (= trinken, sich betrinken) als weitere Quelle.
In München beschreibt der Begriff die Schwabinger »Schicki-Micki-Szene«, die Franz-Xaver Kroetz in den 1980ern in der Fernsehserie »Kir Royal« porträtierte. Weitere filmische Porträts lieferte Helmut Dietl mit seiner Kult-Fernsehserie »Monaco Franze« (mit Helmut Fischer und Ruth Maria Kubitschek in den Hauptrollen) und der Komödie »Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief«.
Seit dem Jahr 2002 bemühen sich die Ultras der »Schickeria« um
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