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Der FC Bayern und seine Juden

Der FC Bayern und seine Juden

Titel: Der FC Bayern und seine Juden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Schulze-Marmeling
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der FC Bayern ist eingeladen. In Dachau erscheinen der AG-Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge, sein Stellvertreter Karl Hopfner sowie Vereins-Vizepräsident Dr. Fritz Scherer.
    Bereits im Vorfeld der Veranstaltung hatte sich Edmund Stoiber, seit Oktober 2007 nur noch Ex-Ministerpräsident, aber nach wie vor Vorsitzender des Verwaltungsrates des FC Bayern, geäußert: »Der FC Bayern ist stolz auf Kurt Landauer, dem er außerordentlich viel zu verdanken hat.« Landauer sei »bis heute ein Vorbild für die Verbindung von sportlichem Erfolg mit höchster persönlicher Integrität«. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern habe Landauer gezeigt, »dass es auch ein anderes Deutschland gab«. Er sei sich mit den Verantwortlichen des FC Bayern »völlig einig, dass Kurt Landauer beim FC Bayern dauerhaft ein ehrendes Gedenken eingerichtet werden sollte«.
    Am Fundament von Dachau-Block acht, Stube vier, wo Landauer 33 Tage verbrachte, legt der Klub einen mit den Klubfarben Rot und Weiß geschmückten Kranz nieder. Am Morgen waren bereits zwei Kränze an Landauers Grab auf dem Neuen Israelitischen Friedhof niedergelegt worden: einer von der Stadt München und einer von den Ultras der »Schickeria«.
    Bayern-»Vize« Dr. Fritz Scherer hält eine kurze Ansprache. Anschließend geht es in die bis auf den letzten Platz gefüllte kleine Versöhnungskirche, wo 30 bis 40 Ultras ein gutes Drittel des Publikums stellen.
    Alfred Fackler, Vizepräsident des Bayerischen Fußball-Verbandes, berichtet von einer Begegnung mit Kurt Landauer. Nach dem Krieg sei er als 19-jähriger Bursche und frischgebackener Schriftführer bei Wacker München mit einem Schreiben seines Klubs zum FC Bayern geschickt worden. Dort habe man ihn in Landauers Büro zunächst gefragt, ob er Hitler-Junge gewesen sei. Als Fackler dies wahrheitsgemäß bejahte, habe Landauer geantwortet: »So was machst nicht mehr, mein Freund!« Anschließend habe Landauer ihn noch darauf hingewiesen, dass er beim falschen Münchner Verein sei.
    Es folgt in der Versöhnungskirche ein Vortrag über das Leben und Schaffen Kurt Landauers sowie eine Gesprächsrunde mit Landauer-Neffe Uri Siegel und Bayerns Ex-Präsidenten Willi O. Hoffmann. Hoffmann ist das einzige prominente Bayern-Mitglied, das Landauer noch persönlich kannte.
    Uri Siegel ist in den Tagen, Wochen und Monaten rund um den Landauer-Geburtstag ein gefragter Mann. Aber es scheint, als sei ihm dieser »Landauer-Boom« nicht ganz geheuer. Siegel wirkt irritiert von der Wucht, mit der nun Ereignisse und Personen, die man viel zu lange ignoriert hat, an die Oberfläche stoßen bzw. gestoßen werden. Etwas weniger jetzt, dafür etwas mehr in den vielen Jahren, in denen der Onkel vergessen wurde, wäre dem 87-Jährigen wahrscheinlich lieber gewesen.
    Nach der Veranstaltung erläutert Fritz Scherer einem kleineren Kreis von Journalisten und Besuchern, dass der Präsident Landauer zwar den Grundstein für die späteren Erfolge gelegt habe, aber »viele unserer Präsidenten haben viel geleistet«. Scherer ist tunlichst darauf bedacht, das »jüdische Erbe« nicht zu stark herauszustellen. »Wir sprechen alle Menschen an«, man wolle nichts »einseitig in den Vordergrund stellen. Dann laufen Sie Gefahr, dass es Gegendemonstrationen gibt, da provoziert man etwas. Das Einzige, was wir in den Vordergrund gestellt haben, sind unsere Lederhosen.« Der FC Bayern wolle sich »religiös nicht festlegen«, sondern sei »neutral«. Als ob die Erinnerung an Kurt Landauer aus dem FC Bayern einen »jüdischen Klub« machen würden. Und als ob dieses irgendjemand beabsichtigen würde. Der selbstverständliche Akt der Wiederaufnahme der Juden in die Klub-Geschichte löst noch immer irrationale Ängste aus.
    Vielleicht ist es aber auch nur eine hilflose Reaktion auf eine unangenehme Tatsache. Der Antisemitismus ist ein Virus, das sich schwer bekämpfen, geschweige denn vernichten lässt. Weshalb es manchem opportun erscheint, die »eigenen« Juden versteckt zu halten.
    Rummenigges Verneigung
    Der Anstoß dafür, Landauer zu ehren, kam nicht vom Verein selbst, und das Auftreten der Bayern-Repräsentanten in Dachau ist unterschiedlich bewertet worden. Dennoch ist Uri Siegel nach der Dachau-Veranstaltung verhalten optimistisch: »Da hatte ich schon das Gefühl, dass es jetzt eine Trendwende gibt. Aber dieses Nicht-Erinnern besteht nicht nur beim FC Bayern. Als der Onkel starb, hat man noch lange an Totengedenktagen Kränze ans Grab im jüdischen

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