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Der FC Bayern und seine Juden

Der FC Bayern und seine Juden

Titel: Der FC Bayern und seine Juden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Schulze-Marmeling
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südländisches Flair im Stadion – mit Megaphon, Doppelhaltern, bunten Schwenkfahnen. Zugleich sind die Mitglieder der »Schickeria« politisch bewusste Fans, ihr Selbstverständnis ist »antirassistisch und antikommerziell«. Dass ausgerechnet der FC Bayern, in oberflächlicheren Betrachtungen auf einen »konservativen CSU-Verein« reduziert, solche Ultras hat, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.
    Vom österreichischen Fußballmagazin »Ballesterer« auf seine Identifikationspunkte mit dem FC Bayern angesprochen, antwortet ein Mitglied der »Schickeria« namens »Alex«: »Für mich ist der FC Bayern ein ideeller Wert, der sich durch die Tradition des Klubs, seine relativ positive Rolle im Nationalsozialismus und die kosmopolitische Ausrichtung nährt.«
    Im ersten Jahr ihrer Existenz widmet sich die »Schickeria« der Flüchtlingsproblematik. Zum ersten Spieltag der Saison 2008/09 werden erstmals Flüchtlinge ins Stadion eingeladen, die Kosten für das Ticket übernimmt die »Schickeria«. Zur Flüchtlingsproblematik werden Flyer verteilt und Spruchbänder angefertigt. Und die gesamte Gruppe trägt ein »Refugees Welcome«-T-Shirt. Pfingsten 2006 veranstalten die Ultras ihr erstes antirassistisches Fußballturnier um den Kurt-Landauer-Pokal. Im Nordwesten Münchens kämpfen zehn Teams um die Trophäe, darunter zwei Teams aus dem Fan-Milieu des FC St. Pauli Und die Brigate Rossoblu Civitanova aus Italien. Aber auch die politische Bildung kommt nicht zu kurz: Den Turnier- und Camp-Teilnehmern werden die Filme »KZ Dachau«, »Nacht und Nebel« und »Schindlers Liste« vorgeführt. Des Weiteren stehen Workshops zu den Themen »Repression gegen Fußball-Fans« und »Fußball und Rassismus« sowie ein Besuch der KZ-Gedenkstätte Dachau auf dem Programm.
    2009 sind schon 16 Teams am Start. Diesmal wird u.a. das Thema »Homophobie im Fußball« diskutiert und eine Stadtführung zum Thema »Jüdisches Leben in München« angeboten. Zum 110. Bayern-Jubiläum veröffentlicht die »Schickeria« eine eigene Chronik, in der – anders als in den offiziellen Publikationen des Klubs – die Zeit 1933 bis 1945 ausführlich behandelt wird.
    Fan-Freundschaften unterhält man auch nach Israel. Anlässlich des Spiels bei Maccabi Tel Aviv war man erstmals mit den Ultras von Hapoel Tel Aviv in Kontakt gekommen, von denen sich einige in der Bayern-Kurve niedergelassen hatten. In den folgenden Jahren läuft man sich dann immer wieder über den Weg, bei antirassistischen Fan-Turnieren oder bei gegenseitigen Spielbesuchen.
    Die »Schickeria« ist nicht die einzige Fan-Vereinigung des FC Bayern, die an Kurt Landauer erinnert. Auch der »Club Nr. 12 – Vereinigung aktiver FC Bayern-Fans«, Betreiber eines Fan-Museums und Vertreiber eines Landauer-T-Shirts, ist hier zu nennen.
    In Dachau
    Am 28. Juli 2009 ist Kurt Landauers 125. Geburtstag. Das Datum löst nun eine regelrechte Erinnerungswelle aus.
    Den Anfang macht die Evangelische Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau. Der Bau dieser Kirche auf dem Gelände des ehemaligen KZs geht auf die Initiative niederländischer Protestanten zurück, die in Dachau gelitten hatten. Am 30. April 1967 war die Kirche eingeweiht worden, erster Prediger war Martin Niemöller, einst selbst Gefangener in Dachau.
    Bereits vor 2009 engagierte sich die Versöhnungskirche in Sachen Fußball. So übernahm sie die italienische Idee eines Erinnerungstages. Riccardo Pacifici, Sprecher der jüdischen Gemeinde Roms, hatte zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar 2004 angeregt, dass Spieler der italienischen Profiligen Serie A und Serie B unter dem Motto »Tag des Erinnerns, um nicht zu vergessen« gegen Rassismus und Antisemitismus demonstrieren.
    Zum Holocaustgedenktag 2005 formulierten Versöhnungskirche, TSV Maccabi und die »Löwenfans gegen Rechts« gemeinsam eine Erklärung. Sie wurde von der Deutschen Fußball-Liga (DFL) und dem DFB übernommen und in vielen Bundesligaspielen verlesen. Seither ist der »Erinnerungstag im deutschen Fußball« eine feste Einrichtung.
    Im Juli 2009 laden nun Versöhnungskirche und der jüdische Sportklub TSV Maccabi zu einer Veranstaltung zum Gedenken an Kurt Landauer ein. Motoren der Veranstaltung sind Diakon Klaus Schultz und Eberhard Schulz, Mitglied im Kuratorium der Versöhnungskirche. Schulz, ein »homo politicus« par excellence, hat bereits das Projekt »Erinnerungstag« maßgeblich angeschoben und ist 2. Vorsitzender der Jury des »Julius-Hirsch-Preises«. Auch

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