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Der FC Bayern und seine Juden

Der FC Bayern und seine Juden

Titel: Der FC Bayern und seine Juden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Schulze-Marmeling
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ausgleichen. Den Deutschen ist Bickel kein Unbekannter. Als die Schweiz die »großdeutsche Elf« bei der WM 1938 aus dem Turnier warf, führte der perfekte Techniker vorzüglich Regie.
    Nach dem Wiederanpfiff benötigen die Bayern erneut nur zwei Minuten, um ins Schweizer Tor zu treffen. Die Führung hält bis zur 80. Minute, dann gelingt Hans-Peter Friedländer, einem in der Schweiz eingebürgerten Deutschen jüdischer Herkunft, der erneute Ausgleich zum 2:2, was auch der Endstand ist.
    Von Oettinger …
    Als Siegfried Herrmann im September 1934 vom Vereinsvorsitz zurücktritt, wird sein Nachfolger mit dem Rechtsanwalt Dr. Karlheinz Oettinger ein Kandidat der Skiabteilung. Bereits 1935 wird Oettinger vom Mediziner Dr. Richard Amesmeier abgelöst, womit auf den ersten Blick eine den Nazis genehme Vereinsführung installiert ist. Denn nach eigenen Angaben hatte Amesmeier im Mai 1919 in einer »Zeitfreiwilligenformation« an der Niederschlagung der Münchner Räterepublik teilgenommen. Der NSDAP war er im April 1933 beigetreten, im Oktober 1933 wurde er vom Stahlhelm und der SA übernommen.
    So ganz nach den Vorstellungen der braunen Machthaber ist aber wohl auch Amesmeier nicht. Im April 1939 meldet er sich von der SA ab und begründete dies mit familiären Problemen, der Abwicklung eines Nachlassgeschäftes und »schmerzhaften Neuralgien, die mich oft über mehrere Stunden vollkommen arbeitsunfähig machen«. Zuvor war einem SA-Standartenführer aufgefallen, dass Amesmeier »trotz wiederholter Aufforderung weder an einem sonstigen Einsatzdienst der SA noch an einem Kameradschaftsabend der Standarte teilgenommen« hatte. Da Amesmeiers SA-Austritt einige Monate nach der Inhaftierung Landauers erfolgt, kommt der Historiker Nils Havemann zu der Einschätzung, dass »das Erleben der nationalsozialistischen Verbrechen an dem beliebten Landauer bei einem exponierten Bayern-Mitglied trotz anfänglicher Sympathie für die Nationalsozialisten zu einer erkennbaren Distanzierung vom Hitler Regime« geführt habe.
    Bereits im November 1937 folgt auf Amesmeier dessen langjähriger Mitarbeiter, der Oberlehrer Franz Nußhardt, als »Vereinsführer«. Nußhardt ist kein Parteimitglied, was für diese Zeit – die Olympischen Spiele sind über die Bühne gebracht – eher ungewöhnlich ist. Im Gegensatz zu vielen anderen Vereinen drückt sich der FC Bayern noch immer davor, eine ausgewiesene Parteigröße an seine Spitze zu stellen. Ein NSDAP-Mitglied vielleicht, aber bitte kein überzeugter Nazi, der den Klub politischen Interessen unterwirft.
    Als der parteilose Nußhardt nicht mehr zu halten ist, wird 1938 der Oberregierungsrat Dr. Kellner zum Nachfolger bestellt, um, wie Anton Löffelmeier ausführt, »den Anfeindungen seitens der Partei ein Ende zu setzen und um den Anschluss an die von prominenten Nationalsozialisten geführten Ligakonkurrenten TSV 1860 und FC Wacker zu finden«. Kellner ist dem Klub bekannt, der Oberregierungsrat war den Bayern bereits 1910 beigetreten. Anscheinend will man den hohen Beamten vor allem als Aushängeschild nutzen. Denn Nußhardt bleibt dem Klub weiterhin erhalten. Offiziell ist er nur noch »zweiter Mann«, aber tatsächlich ist es Nußhardt, der das Gros der Vorstandsarbeit bewältigt, da Kellner bereits kurz nach der Amtsübernahme nach auswärts berufen wird und nur noch selten in München ist. »Der nominelle Vereinsführer, Dr. Kellner, war weit weg und konnte sich um die Geschicke des Clubs nicht kümmern. Als Nicht-Pg. (Pg. = Parteigenosse, d.A.) war dies in diesen Zeiten für Nußhardt eine Kunst und übermenschliche Leistung.« (»50 Jahre FC Bayern«)
    Der FC Bayern bleibt weiterhin sperrig und schaut sehr genau hin, wer sich ihm so andient. »Versuche, außerhalb des Vereins stehende gewichtige Persönlichkeiten als Vereinsführer evtl. zu gewinnen, waren recht gefährlich.« Unter »gefährlich« versteht man offensichtlich Kandidaten, die zu stark dem Nationalsozialismus huldigen und von denen man befürchtet, sie würden das »Führerprinzip« tatsächlich wahrnehmen. Ein »Ratsherr« (Anführungszeichen in der Festschrift, d.A.), der zur Übernahme der Klubführung bereit ist, stößt auf Ablehnung, nachdem er offen erklärte, »dass er, wenn er den Verein übernehme, dafür sorgen werde, dass er ›SA-mäßig‹ umgestaltet werde«. Als ein Bankier angeboten wird, kommt dieser wegen einer anderen Mitgliedschaft nicht in Betracht: Der Mann ist beim TSV 1860 eingetragen… So wird

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