Der FC Bayern und seine Juden
Zugangsnummernbuch des Konzentrationslagers Dachau finden sich zu Kurt Landauer folgende Angaben: Die Häftlingsnummer ist 20009. Als Haftgrund wird »Schutzhäftling/Jude« genannt, als Beruf »kaufmännischer Angestellter«. Der Wohnsitz wird mit »Klemensstraße 41« angegeben, eine Adresse in Schwabing und in unmittelbarer Nachbarschaft zum ersten offiziellen Bayern-Platz.
Neben dem Ex-Präsidenten Landauer wurden an diesem 10. November mindestens zwei weitere Bayern-Mitglieder in Dachau interniert: Ex-Jugendfunktionär Otto Albert Beer und Berthold Koppel.
Was sie und die übrigen Verschleppten in Dachau erwartete, schrieb ihr Mithäftling Otto Blumenthal nieder: »Wir wurden in eine Baracke geführt und mussten unsere Sachen und Kleider abgeben. (…) Wir waren nun splitterfasernackt und konnten jetzt sehen, wie viele von uns blutige Striemen hatten. (…) Wir wurden wie die Zuchthäusler kahl geschoren, alle Bärte fielen, alle Schnurrbärte fielen. (Im Baderaum) feierte nun der Sadismus unserer Wärter wahre Orgien. Was sie mit den nackten, wehrlosen Juden dort anstellten, spottet jeder Beschreibung. Duschen mit fast kochend heißem Wasser, Duschen mit eiskaltem Wasser, Abspritzen mit Wasserschläuchen, Abbürsten mit Schrubbern und Besen.«
Kurt Landauer kommt nach 33 Tagen wieder frei, »weil ich als früherer Frontkämpfer zur schnelleren Entlassung kam«. Mit Landauer dürfen am 12. Dezember 1939 auch Otto Albert Beer (Häftlingsnummer 19829), ebenfalls Freiwilliger im Ersten Weltkrieg, und Otto Blumenthal Dachau verlassen. Blumenthal: »Die Turmuhr über dem ›Schurhaus‹, der Wache, schlug gerade halb zwei, (…) als wir das Tor des Konzentrationslagers hinter uns ließen und wieder in die Welt traten. Eine Gruppe marschierte an uns vorbei, arme Kameraden, die noch weiter schmachten mussten. Sie sangen: ›Und kommt einmal die schöne Zeit, wo aus der Schutzhaft wir befreit…‹. Wir marschierten jetzt auf die Straße, zum Bahnhof Dachau. Noch immer unter SS-Begleitung. Vorne setzten sie die Hüte auf. Welches Gefühl! Die Welt, Autos. Jeder Schritt ein Schritt in die Freiheit, nach Haus! In Dachau bestiegen wir den Zug nach München, wir waren frei. In München erwartete uns ein jüdisches Komitee. Wir wurden in einem abgesperrten Warteraum geführt und bekamen Tee und trockenes Brot. Jetzt erst merkten wir, dass wir Hunger hatten. Wir waren erschöpft vor Aufregung und Freude und sehr gerührt, dass für uns gesorgt wurde.«
Zu seinem alten Arbeitsplatz kann Landauer nicht mehr zurückkehren, denn die »Arisierung« der Rosa Klauber GmbH ist unter der üblichen Bedingung erfolgt, nach der u.a. die »nichtarischen« Angestellten entlassen und die »arischen« weiterbeschäftigt werden müssen. Der ehemalige Bayern-Präsident ist nun erwerbslos.
Die Odyssee des Oskar Rohr
Als die deutsche Wehrmacht 1940 ins Elsass einfällt, sieht sich Bayerns Ex-Stürmer Oskar Rohr zur Flucht gezwungen. Rohr, inzwischen mit 117 Erstligatreffern Racing Strasbourgs erfolgreichster Torschütze aller Zeiten, setzt sich nach Sète im unbesetzten Süden Frankreichs ab, wo er bis 1942 lebt und für den FC Sète gegen den Ball tritt. In der Saison 1941/42 scheint er aber kaum noch zum Einsatz zu kommen. In den Aufstellungen für die Meisterschaftsspiele und das Pokalfinale 1942, das Sète gegen Red Star Paris mit 0:2 verliert, fehlt sein Name. Allerdings fand das Finale in dem Teil Frankreichs statt, der von den Deutschen besetzt war, weshalb ein Mitwirken Rohr nicht angeraten war.
Im November 1942 befindet sich Oskar Rohr in Marseille, seit jeher Transitstation für Emigranten und Flüchtlinge. Seit dem Einmarsch der Deutschen in Frankreich ist Marseille auch ein wichtiger Zufluchtsort für deutsche Intellektuelle. Hier hat der US-Amerikaner Varian Fry seine Zelte aufgeschlagen, von seiner Regierung ausgerüstet mit finanziellen Mitteln, einem dicken Bündel Notvisa sowie Listen von Personen, denen er die Ausreise ermöglichen soll. Die »Zeit« wird Fry einige Jahrzehnte später als »Engel von Marseille« feiern, dem »eine ganze vertriebene Kultur ihr Überleben« verdanke.
Bevor die französische Polizei dem »Botschafter der Vereinigten Staaten für die Elenden in Europa« am 29. August 1941 sein humanitäres Handwerk legt und ihn ausweist, gelingt es seinem Emergency Rescue Committee, ca. 4.000 Personen legal und illegal aus Frankreich zu schleusen. Darunter Hannah Ahrendt, Max Ernst, Lion Feuchtwanger und
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