Der FC Bayern und seine Juden
vermutlich wiederholt mit den in der »Hauptstadt der Bewegung« besonders straßenkämpferischen Nationalsozialisten zusammengestoßen. Darauf deutet eine Auskunft des Personalamts vom 31. August 1946 hin, in der es heißt: »Herrmann ist als Gegner des Nationalsozialismus bekannt. Als Leiter des Vereinsund Versammlungswesens vor 1933 stand er immer im Gegensatz zur NSDAP. Er musste 1933 diesen Platz verlassen und wurde von jeder Beförderung ausgeschlossen.«
Herrmann wird im Mai 1933 zur Kriminalpolizei zurückversetzt, weil er nach eigener Auskunft »politisch als nicht zuverlässig erachtet« wird. Vier Monate später wird er Leiter der »Bayerischen Landesfalschgeldstelle« und des Dezernates »Fälschungen aller Art«. 1936 winkt ihm die Beförderung zum Kriminalrat. Dazu kommt es aber nicht, da die politischen Fachschaftsleiter Kriminal-Amtmann Ulsenheimer und Kriminalrat Rupprecht eine ablehnende Beurteilung abgeben.
Im April 1941 bringt ein eher zufälliges Zusammentreffen mit dem hohen Nazifunktionär Max Amann in der Perusastraße einen weiteren Karriereknick. Wie Herrmann stammt Amann aus München. Der Teilnehmer des Hitler-Ludendorff-Putsches vom 9./10. November 1923 ist einer von 18 Reichsleitern, die die Reichsleitung der NSDAP bilden und direkt Hitler bzw. seinem Stellvertreter unterstellt sind. Amann ist Reichsleiter für das Pressewesen und Geschäftsführer des »Völkischen Beobachter«. Der NS-Funktionär, der Herrmann nach dessen Erinnerung noch »von meiner Tätigkeit her als Beamter der Politischen Abteilung VI d« kennt und ihn wohl nicht in bester Erinnerung hat, beantragt nun »in einer mehrseitigen Eingabe an die Kanzlei des Führers meine Entfernung aus dem Staatsdienst«.
»Wegen meiner ausgezeichneten bisherigen dienstlichen Qualifikation« entgeht Herrmann einer Entlassung, »jede weitere Beförderung war aber damit ausgeschlossen«. Stattdessen wird Herrmann »sofort strafweise nach Wien versetzt«, wo er am 20. Mai 1941 das Dezernat »Fälschungen aller Art, Glücksspielabteilung und die Postdelikte« übernimmt.
Herbert Moll gewährte den Journalisten Gerd Fischer und Ulrich Lindner in einem 1999 aufgenommenen Interview eine aufschlussreiche Innensicht. Herrmann sei mit Landauer »innigst verbunden« gewesen. »Aus dem Grund war das so, dass es gar nicht so aufgefallen ist, dass der Herrmann da gewirkt hat, da war der Landauer immer noch im Schatten. (…) Landauer war zwar in den Jahren nach 1933 nicht mehr Präsident, war aber bei Feiern noch da und auf dem Fußballplatz. Der hat im Hintergrund gewirkt.«
Noch 1935 (!) vermittelt Landauer dem jungen Spieler Simetsreiter eine Stelle beim Baureferat der Stadt. Zumindest bis 1937 verkehrt Landauer noch im Milieu des Klubs. Moll: »Wenn man ihn dann gesehen hat, mit seinem gelben Stern, dann hat man Grüß Gott gesagt, und das hat ihn dann irgendwie beruhigt, dass ihn manche noch gekannt haben.« Aber »plötzlich war er weg«.
Lustlos und trotzig
Es ist kein offener Widerstand, der den Nazis aus dem FC Bayern entgegenschlägt. Mehr eine Mischung aus Lustlosigkeit und Hinhaltetaktik. Anton Löffelmeier: »Anordnungen der Nationalsozialisten lässt man ablaufen oder führt sie mit wenig Engagement durch.« Dass sich die Fußballer des FC Bayern wiederholt sperrig gegenüber den neuen Machthabern zeigen, hat wohl auch damit zu tun, dass man ausgerechnet die Architekten ihres Aufstiegs zur nationalen Topadresse verdrängt hat.
Auch beim FC Bayern ist der für die nationalsozialistische Erziehung zuständige »Dietwart« der größte Langweiler im Klub. Jeden Dienstag nach dem Training werden im Schelling-Salon, einer traditionsreichen Kneipe in der Schwabinger Schellingstraße, politische Schulungen abgehalten. Zu besseren Zeiten verkehrten hier Theodor Heuss, Bertolt Brecht, Rainer Maria Rilke, Henrik Ibsen, Joachim Ringelnatz, Ödon von Horvath und Wassily Kandinsky. Auch ein gewisser Adolf Hitler kehrte hier ein, erhielt aber wegen lautstarken Politisierens Hausverbot. Heute trifft sich hier wieder ein buntes Völkchen, das sich, so das Stadtmagazin »Prinz«, »vom Straßenkehrer bis zum Schachspieler und vom Zecher bis zum Philosophen« erstreckt.
Auf den nationalsozialistischen »Polit-Abenden« referiert der »Parteigenosse« Wagner. Herbert Moll: »Das war ziemlich oberflächlich. Zum Beispiel: Wann wurde der Führer geboren? Das haben wir für die staatspolitische Prüfung wissen müssen. Nur wer die Prüfung bestanden
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