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Der FC Bayern und seine Juden

Der FC Bayern und seine Juden

Titel: Der FC Bayern und seine Juden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Schulze-Marmeling
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hat, bekam einen Stempel in seinen Spielerpass und durfte überhaupt spielen.«
    Am 22. August 1934 wird im Rahmen der Feierlichkeiten zur Stadterhebung Dachaus ein Freundschaftsspiel zwischen dem örtlichen TSV 1865 und dem FC Bayern angepfiffen. Der FC Bayern gewinnt vor 600 bis 800 Zuschauern erwartungsgemäß klar (5:0), doch beim anschließenden Volksfest gibt es Ärger.
    Magdalene Heidkamp, Gattin des Bayern-Kapitäns Konrad »Conny« Heidkamp, gegenüber dem »Bayern-Magazin« im März 2003: »Es gab lange Reden, dann setzten wir uns auf die reservierten Plätze im Bierzelt. Es mochte eine Stunde vergangen sein, als unsere vergnügte Runde durch einen Spieler unterbrochen wurde, der aufgeregt hereingestürzt kam und berichtete, vor dem Zelt sei eine fürchterliche Prügelei im Gange. Einige unserer Spieler prügelten sich mit einer Horde von SA-Leuten. Im Nu war unser Tisch leer, auch der Bürgermeister lief nach draußen, um den Streit zu schlichten. Da war aber nichts mehr zu machen. Ehe sie sich’s versahen, lagen sie selbst am Boden. Blutverschmiert humpelten wir zum Bahnhof.« Was die Schlägerei auslöste, bleibt unklar.
    Auch ein anderer Vorfall beleuchtet die Stimmungslage unter den prominenten Bayern-Spielern. Am 9. November 1937, gegen 0.50 Uhr, wird Sigmund Haringer auf die Wache des 1. Polizeireviers gebracht. Am Jahrestag des Marsches auf die Feldherrnhalle haben die Nazis einen Schweigemarsch veranstaltet. Haringer hat sich derweil mit einigen Freunden im Café Keckeisen in der Maximilianstraße 44 vergnügt. Als die Gruppe das Etablissement verlässt, trifft sie auf einige Teilnehmer des Marsches, die sich auf dem Heimweg befinden. Magdalena Heidkamp: »Es war eine Zeit, die für jeden gefährlich wurde, der seinen Mund nicht halten konnte. Siggi Haringer, einer unserer besten Spieler, war so einer, immer vorneweg mit seinem Mundwerk. Siggi Haringer sagte ganz laut und deutlich: ›Na, ist der Kasperlzug endlich aus!‹ Wie aus dem Boden geschossen standen plötzlich zwei SA-Leute vor uns, legten ihm die Hand auf die Schulter, zogen ihn hoch und führten ihn ab. Wir waren wie zu Stein erstarrt und befürchteten das Schlimmste.«
    Im Münchner Staatsarchiv liegt eine Ermittlungsakte des Sondergerichts München gegen »Haringer, Sigmund, geb. 9.12.1908 in Karling, wohnhaft in der Veith-Stoß-Str. 21/10 (bei Pottner), Sohn der Heizereheleute Josef Haringer und H. Kreszenz (geb. Werndl), Staatsangehörigkeit: deutsch, Religionszugehörigkeit: katholisch, Rassezugehörigkeit: deutschblütig.« Des Weiteren vermerkt die Eingangsseite, dass Haringer keiner Gliederung der NSDAP angehöre.
    Aus den Unterlagen geht hervor, dass Haringer von einer pflichtbe-wussten Staatsbürgerin namens Elsa K. denunziert wurde. Diese lässt sich vor Gericht wie folgt aus: »Am 9.11.1937 gegen 0.45 Uhr ging ich durch die Maximilianstraße nach Hause. In Höhe des Café Keckeisen gingen drei Herren, darunter Haringer, an mir vorbei. Da um diese Zeit gerade der Standartenumzug an der Feldherrnhalle zu Ende war und die Leute nach Hause gingen, äußerte Haringer zu einem seiner Freunde: ›Eli, jetzt ist das Kasperltheater aus.‹ Daran habe ich Ärgernis genommen und die Herrn vom Arbeitsdienst um Vorführung dieses Mannes ersucht.«
    Knapp 24 Stunden später, am 10. November 1937 um 0.30 Uhr, darf Haringer die Wache wieder verlassen. Das Polizeipräsidium leitet eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft weiter.
    Dank seiner Reputation als Nationalspieler, vor allem aber wohl dank der Fürsprache des »Fußballkameraden« und Wackeraners Dr. Adolf Brandweiner, im Gegensatz zu Haringer Parteimitglied, wird das Verfahren mit Datum vom 15. Dezember 1937 vom Oberstaatsanwalt beim Landgericht München eingestellt. Brandweiners Version des Vorfalls klingt wenig glaubwürdig, aber entscheidender ist wohl, dass, wie es in der Einstellungsbegründung heißt, »an der politischen Zuverlässigkeit des Zeugen Brandweiner keine Zweifel« bestehen. Laut Brandweiner habe man sich von 20 bis gegen 24 Uhr im Spatenhaus am Max-Joseph-Platz aufgehalten, »anschließend waren wir noch kurze Zeit im Café Keckeisen«. Beim Verlassen des Cafés habe er, Brandweiner, einem ihm bekannten Sportkameraden getroffen und mit diesem einige Worte gewechselt. Währenddessen sei Haringer »hinter mir von vier Feldmeistern des Reichsarbeitsdiensts festgehalten und zur Polizeiwache an der Ledererstraße verbracht« worden. Die inkriminierte Äußerung habe er

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