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Der Fehler des Colonels

Der Fehler des Colonels

Titel: Der Fehler des Colonels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Mayland
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Baku getroffen hast. Soll ich dir einen Rat geben?«
    »Nein.«
    »Erzähl mir alles, was du über dieses Chaos weißt, und dann geh, oder besser noch: mach dich schnellstens aus dem Staub, bevor du noch mehr Unheil anrichtest.«
    »Ich habe dir bereits alles gesagt, was ich weiß. Wir haben eine Vereinbarung getroffen, weißt du noch?«
    »Besorg dir eine andere Identität und fang irgendwo ein neues Leben an. Die Welt ist groß und du bist erfinderisch.«
    »Beherzige deine Ratschläge selber, Kumpel.«
    »Deine Rache an der CIA hast du gehabt. Mit denen bist du quitt. Lass es dabei.«
    Vor langer Zeit hatte ihr Vater, ein CIA-Mann, ihre iranische Mutter im Stich gelassen und um die Rechnung zu begleichen, hatte sie die CIA hintergangen. So hatte die Agency einen kleinen Rückschlag erlitten. Und in Wirklichkeit dachte Mark, die CIA hätte in Sachen Iran durchaus einen Rückschlag verdient – der Sturz einer demokratisch gewählten Regierung in den fünfziger Jahren war zum Beispiel nicht gerade ein Geniestreich gewesen. Den Schah und seine Geheimpolizei zu unterstützen zählte auch nicht zu den tollsten Ideen der Agency. Aber die Leute, die im Trudeau House gestorben waren, hatten damit nichts zu tun. Sie waren für die alten Fehler, für den alten Groll anderer Leute gestorben.
    »Als ich für dich gearbeitet habe«, sagte Daria, »ging es nicht mehr um das Begleichen alter Rechnungen. Das hatte ich schon hinter mir gelassen.«
    »Klär mich auf, Daria. Wo bist du inzwischen angekommen?«
    »Musst du immer so sarkastisch sein?«
    »Nur, wenn es angebracht ist.«
    »Die Mullahs abzusetzen wäre für viele im Iran hilfreich. Für viele gute Menschen.«
    »Glaubst du nicht, dass die Leute vielleicht genau die Regierung haben, die sie verdienen?« Als Daria nicht antwortete, fügte Mark hinzu: »Ich schon. Sollen sich die Iraner um ihr Land kümmern.«
    »Ich bin Halbiranerin. Ich kümmere mich darum.«
    »Du bist Amerikanerin.«
    »Meinetwegen.«
    Mark spürte, dass sie um seine Sympathie warb. Sie wollte hören, dass er verstand, was sie durchmachte, und sie nicht für eine hinterhältige Verräterin hielt, weil sie für ein gerechtes Ziel kämpfte.
    Scheiß drauf, dachte er. Zu viele Menschen waren aufgrund dessen, was Daria angezettelt hatte, gestorben. Sympathie brachte er keine mehr auf.
    Eine Weile fuhren sie wortlos weiter, während der backofenheiße Wind aus der Kawir-Wüste den kleinen Wagen schüttelte. Schließlich sagte Mark: »Hast du eigentlich je etwas über andere Agenten oder Maßnahmen der Agency erfahren, was ich dir unter normalen Umständen nicht erzählt hätte?«
    »Nein. Versucht habe ich’s. Du warst zu sorgfältig mit deinen Akten. Und wenn es mir gelungen wäre, dann hätte ich niemals einzelne Agenten oder Operations Officers gefährdet. Ich war nicht darauf aus, Leuten zu schaden. Ich bin kein Monster.«
    Nach einer langen Zeit sagte Mark: »Das habe ich auch nicht behauptet.«

46
    Mit einer Länge von mehr als fünfhundert Metern hatte der Imam-Platz im Zentrum von Isfahan beeindruckende Dimensionen. Am Südende erhob sich die Imam-Moschee mit ihrer monumentalen, vierhundert Jahre alten Kuppel und Millionen handbemalter farbiger Fliesen. Im Westen stand ein uralter Palast, im Osten das Meisterwerk der Scheich-Lotfollāh-Moschee, die für den Harem eines Königs errichtet worden war, und in den Arkaden, die den Platz umgaben, boten hunderte kleine Läden ihre Waren feil.
    Als Daria und Mark eintrafen, hatte die Abenddämmerung fast eingesetzt. Mehrere Männer mittleren Alters rollten vor der Imam-Moschee rote Teppiche auf und luden sie auf die Ladefläche eines Lasters. Ein paar alte Frauen halfen hurtig wie Mäuse in ihren schwarzen Tschadortüchern beim Aufräumen nach dem großen Freitagsgebet. Ein Stück entfernt saßen plaudernd junge Männer und Frauen in Jeans an einem Brunnen.
    In einen farbenfrohen, aber schäbigen Tschador gekleidet, das Gesicht vollständig hinter einer roten Maske verborgen, die aussah, als sei sie von einer Karnevalsparade übrig geblieben, ging Daria an dem Brunnen vorbei. Mark beobachtete, dass sie amüsierte und staunende Blicke auf sich zog. Manche mochten sie für eine Zigeunerin halten, aber er vermutete, dass die meisten sie wohl als arabische
Bandari
, als Frau von der Südküste Irans, erkannten – zweifellos die Tochter von Schmugglern oder Dieben.
    Sie bog in eine belebte Gasse, die unweit der Imam-Moschee von einer Ecke des Platzes

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