Der Feigling im Dunkeln (German Edition)
einfangen, er wollte ihn töten.
Ein
Teil von ihm wollte ihn lassen. Einfach sterben, einfach weg sein.
Aber der größere Teil von ihm berief sich auf das einzige
was er noch hatte, den Willen zu überleben.
Und
so parierte er den kraftvollen Schlag, hielt all dem Hass stand, den
der Mann in diesen Hieb gelegt hatte und stieß ihn von sich,
sah ihn fallen.
Er
nutzte den Moment und flüchtete, rannte um sein Leben und weg
von dem seines Bruders, das er soeben genommen hatte.
Sechs
– Schicksal
Ein
namenloser Fremder vergrub die Finger im nassen, grobkörnigen
Sand und schrie.
Er
wusste nicht wie lange er gerannt war, niemand war ihm gefolgt.
Die
Sonne hing schon tief im Westen und tauchte alles in ein hartes,
gleißendes Licht, als er zusammengebrochen war.
Erst
waren es nur ein paar Tränen gewesen, die ihren Weg über
sein Gesicht bahnten und in den schweren Sand tropften, doch je mehr
er Kontrolle über seinen Atem wieder erlangte und mit der
äußeren Ruhe auch die Gedanken kamen, umso verzweifelter
wurde er.
Schließlich
war aus den stillen Tränen ein sich überschlagendes
Schluchzen geworden, das seinen ganzen Körper schüttelte
und in Schreie ausartete.
Seine
Faust traf den nassen Sand, immer und immer wieder, bis die
Erschöpfung irgendwann überhand nahm und er sich fallen
ließ.
Den
Blick in den klaren Himmel gerichtet erinnerte nur noch ein
unterschwelliges Zittern an seinen Gefühlsausbruch. Er schlang
die Arme um seinen Körper.
Die
letzten Sonnenstrahlen waren mit seinen letzten Tränen versiegt
und mit der Dunkelheit streckte auch die Kälte ihre Finger nach
ihm aus. Er sehnte sich nach dem Feuer. Nach der Wärme, die der
flackernde Schein der Flammen auf seiner Haut hinterließ und
nach dem geborgenen Gefühl der Gemeinschaft, die er verraten
hatte.
Seine
Hände waren sauber. Richtig weiß waren sie, und weich von
der langen Zeit im Orden.
Sie
sahen nicht aus wie die Hände eines Mörders und kein
Tropfen Blut hatte sie befleckt.
Er
hatte sie trotzdem gewaschen, immer und immer wieder.
Das
Meer hatte früher immer eine heilende Wirkung auf ihn gehabt.
Das
leise Murmeln der Wellen, das gelegentlich zu einem wütenden
Rauschen anschwoll hatte ihm immer ein klein wenig Ruhe beschert, ihm
die Gedanken gereinigt.
Doch
in diesem Moment hörte er nur das anklagende Tuscheln und
Wispern von Tausenden in dem grauen Wasser.
Wieder
betrachtete er die Innenflächen seiner Hände. Zu
sauber .
Wenn sie wenigstens blutig wären, wie es sich gehört
nachdem man gemordet hatte-
Aber
so sauber wie sie schon gewesen waren war es unglaublich schwer ein
Gefühl von Reinigung zu erreichen.
Sein
Schwert hatte er schon gesäubert, es hatte einiges an Blut
mitgenommen als es über die Kehle des Bruders gefahren war.
Er
hatte es nicht einmal bemerkt in dem Moment. Wie kann man es nicht
bemerken, wenn man ein Leben nimmt?
Der
Mann hatte eine rote Robe getragen. Er war also so etwas wie der
Akios dieser Gruppe gewesen. Ein Heiler, der den Jüngeren immer
mit weisem Rat Beistand leistete.
Der
Gedanke ließ ihn erneut erschauern. Nie zuvor hatte er auch nur
einen Gedanken an die Gefühle und das Leben seiner Opfer
verschwendet. Aber er war nicht mehr dieser Mann, versuchte er sich
zu sagen.
Doch
das unsichtbare Blut auf seiner Haut sprach eine andere Sprache. Er
fühlte es, bildete sich sogar ein es riechen zu können. Es
ging einfach nicht weg.
Wer
bin ich? ,
fragte er sich wieder und wieder. Alt und neu mischte sich in seinem
Kopf, die Bilder fraßen sich aus ihm heraus und zerstörten
das letzte bisschen Heiligkeit, das ihm geblieben war.
Wer
ist das, in mir drin? ,
war lange Zeit seine Frage gewesen. Er hatte sich machtlos diesem
Teufel ausgesetzt gefühlt. Nicht mehr. Die schwarze Seele
streckte ihre Tentakel nach ihm aus, wand sich in sein Fleisch und es
war ihm unmöglich, eins von dem anderen zu unterscheiden.
Korrupt
bis in den letzten Winkel seines Geistes blieb ihm dennoch das kleine
bisschen Bewusstsein, seinen Wandel wahrzunehmen. Mit Entsetzen
spürte er, wie sich die zwei Identitäten vermischten, die
Linie verschwamm und wurde rissig.
Noch
immer fürchtete er den Mann, der er war, aber es war ihm nicht
mehr möglich ihn als einen anderen abzutun. Das
bin ich, ich bin ein Monster.
Er
fand kaum Schlaf in dieser Nacht. Eine absurde Angst hatte von ihm
Besitz ergriffen. Was, wenn er aufwachte und das Monster die
Kontrolle übernahm? Wie würde es sich anfühlen? Er
hatte ihn in sich
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