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Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Titel: Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Huber
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Weg zur Annäherung an die Tat und daraus folgend die Auswertung, was genau, und zwar sehr genau, anders getan werden muss. Es gibt viele Klienten, die sich ihren Taten langsam, aber auf jeden Fall sehr gründlich annähern müssen. Dieser Weg ist Voraussetzung für das Tatverständnis und spätere präventive Strategien. Andere Klienten dürfen diesen Weg nur teilweise gehen. So arbeitet man mit schizophren erkrankten Menschen beispielsweise eher im Bereich des Deliktvorlaufs und weniger mit dem direkten Tatgeschehen. Es geht dann darum, vor allem rechtzeitig zu verhindern, dass er noch einmal so „außer sich“ gerät. Neben der Gefahr der psychischen Destabilisierung, die beachtet werden muss, sind auch bei psychotischen Tätern wie bei allen anderen die stärksten präventiven Strategien in der Phase vor einem möglichen (nächsten) Delikt zu etablieren.
    MH: Wie näherst du dich mit einem Klienten seiner Tat?
    MW: Zunächst sprechen wir nicht direkt über die Tat. Jeder Klient nähert sich dieser Thematik anders. Manche sind äußerst beschämt über das, was sie getan haben. Andere reden gerade drauf los und sind unendlich froh, dass sie jemanden haben, der ihnen zuhört und mit ihnen zusammen anschaut, was genau da passiert ist. Wie jemand sich mit der Tat auseinandersetzen kann und will, das muss ich natürlich berücksichtigen. Der Weg im Sinne der Gesprächsführung sieht wirklich sehr verschieden aus. Manchmal muss ich zunächst dafür werben, dass man überhaupt darüber reden muss. Das Ziel ist dann die Motivation für die Deliktarbeit und erst später die konkrete Deliktrekonstruktion. Der Täter muss spüren, dass ich ihn nicht persönlich für seine Taten verachte, ihn nicht als Person entwerte. Nur so geht die „Tür zum Delikt“ auf. Wenn das gelungen ist, nähern wir uns schrittweise der Deliktthematik. Immer ein Abschnitt nach dem anderen. Möglichst nicht alles auf einmal. Das kann für Täter und TherapeutIn sonst auch zu viel werden. Und dann ist es nicht mehr besprechbar.
    MH: Wie lassen sich mit dem Täter präventive Strategien etablieren?
    MW: Nach der detaillierten Deliktrekonstruktion entwerfen wir gemeinsam mögliche andere Varianten des Verlaufs. Klient und TherapeutIn müssen das gleiche Ziel haben, und das heißt: keine zukünftigen Straftaten mehr, keine neuen Opfer. Wenn das nicht geklärt ist, dann ist das auf längere Sicht für die Prognose ungünstig. Wenn der Täter davon überzeugt ist, beginnt die eigentliche Arbeit. Dabei wird geklärt, wann die deliktpräventiven Strategien greifen sollen. Manchmal ist es bereits lange vor dem Delikt. Kein Delikt passiert aus Zufall! Das gilt es zu vermitteln, in Feinarbeit und vielen, vielen Therapiestunden. Es gilt vielleicht, die gewalttätigen Fantasien zu verändern durch Fantasiearbeit. Dann wird die Fantasie genau angeschaut und Schritt für Schritt verändert, wie wir es z. B. neulich [Wick & Schmitt 2012, MH] beschrieben haben. Vielleicht sind die Fantasien aber auch nicht wichtig, da der Täter, der mein Klient ist, gar keine hat. Dann muss er erkennen lernen, wann das Deliktrisiko steigt. Zum Beispiel dann, wenn er Alkohol oder Drogen konsumiert oder Aggressionen verspürt, Impulsen folgt, in Stresssituationen, in Triggersituationen – jeweils gilt es dann herauszufinden, welches auch immer die genauen Auslöser sind, und daran zu arbeiten, dass der Automatismus durchbrochen wird.
    MH: Wie kannst du erkennen, ob ein Täter überhaupt psychotherapiefähig ist?
    MW: Alle Anmeldungen für Therapien beim PPD durchlaufen die Abteilung für Risiko- und Interventionsabklärungen. Diese Abteilung beurteilt das Risiko für (weitere) Straftaten und gibt Empfehlungen für Interventionen ab, die das Rückfallrisiko vermindern sollen. Neben der Auswertung sämtlicher Akten, Urteile, psychologischer und weiterer Testverfahren wird beurteilt, ob und in welcher Form therapiert werden soll. Manchmal macht zudem das forensische Gutachten bereits konkrete Vorschläge in eine Richtung. Dennoch sind auch die ersten Therapiestunden ein Teil dieser Beurteilung. Und Psychotherapie kann letztlich auch sehr unterschiedlich aussehen. Sollte ein Täter jedoch starke Medikamente wie beispielsweise Psychopharmaka oder gar Drogen oder andere psychotrope Substanzen einnehmen, ist die Gesprächs- und Verarbeitungsfähigkeit natürlich stark eingeschränkt. Auch eine starke Minderbegabung stellt die Psychotherapie vor bestimmte Grenzen. Das alles muss

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