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Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Titel: Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Huber
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aber sicher nicht greifbar genug, um sie zu benennen oder aufzuzählen.
    Weil ich Ihnen schreibe, wurde mir ein „Gefährdet“ aufgestempelt und ich werde beobachtet. Ich habe aber nicht vor, überzulaufen, das sage ich gleich.
    MH: So, die „hinter“ dir haben dir das Etikett „Gefährdet“ aufgeklebt. Aha.
    Sandra: Inzwischen haben sie zugemacht. Das ist gerade ziemlich interessant, weil ich das sonst nur aus deren Sichtweise erlebe. Mir macht es keine Angst, ich weiß, wo ich hingehöre. Sie müssen sich schützen und das ist in Ordnung so.
    MH: Und wenn du vom Überlaufen sprichst – sind es doch Lager, in denen du denkst?
    Sandra: Ja, das ist doch normale Gruppendynamik, oder? Dass man diejenigen, die man versteht, auch eher beschützt oder mit denen mitgeht, wenn sie was brauchen oder tun. Ich „denke“ nicht in Lagern, ich beschreibe hier nur, wie es sich anfühlt. Lager ... das trifft es nicht so ganz. Aber natürlich habe ich „Zugang“ zu Leuten, die gegenüber den anderen (wie ich auch bisher) nicht so aufdringlich sind, dass sie sich permanent einbringen. Das haben wir auch nicht nötig. Wir waren schon immer da und werden noch da sein, wenn alle anderen sich auflösen oder verwandeln oder eingeschmolzen oder leergemacht wurden. Lager nur, wenn man in Schubladen denkt. Ansonsten sind wir einfach viele Einzelne. Ich z. B. bin einzeln, aber es gibt auch „Gruppen“ oder so was wie „Zellen“. Die sind am spannendsten, wie ich finde, weil man nicht weiß, was es ist, aber im Notfall können sie systemübergreifend vergiften. Hm, vielleicht bin ich doch ein bißchen fies, wenn mich das gerade freut ...
    Es ist sicher kein Vergnügen, zu den anderen [in der Persönlichkeit] zu gehören. Sie sind immer in Gefahr, eliminiert zu werden, und haben niemals wirklich eine Ahnung, wer sie im nächsten Augenblick sind. Es kann sein, dass sie mitten in einem Gedanken oder Satz gecancelt werden und andere weiterreden, ohne dass sie selbst oder das Außen etwas merkt. Es sei denn, jemand ist sehr genau bei der Sache und fürchtet sich nicht, Verdachtsmomente auszusprechen (Habt ihr gerade gewechselt?). Da muss ich oft sehr lachen, weil die Leute selber keine Ahnung haben und die Therapeutin uns zwar bemerkt hat, aber doch nicht drankommt. Teilweise wurden Leute [„Leute“ in der Persönlichkeit] jahrelang weggesperrt oder so „gelöscht“, dass sie beim Wiederkommen leere Persönlichkeiten waren. Das passiert immer noch und ist noch gar nicht lange her, da hat es deren Alltag komplett lahmgelegt.
    MH: Kannst du oder können sozusagen „die Deinen“ die anderen in der Persönlichkeit gezielt beeinflussen?
    Sandra: Es ist sehr anstrengend, bei der geballten Fülle der Verstöße gegen unsere Sicherheitssysteme nicht nachlässig zu werden und die Kontrolle zu behalten. Hinter allem, was die anderen tun, wissen wir: Irgendwann wird das hier ein Ende haben und dann kommt alles wieder in Ordnung und wir haben mehr Kontrolle intern. „Draußen“ haben wir das Problem nur auf die ambulante Therapeutin konzentriert. Da denke ich, ist es erstens nur eine Frage der Zeit und zweitens gibt es für mich genug Indizien dafür, dass wir recht haben, „immer bereit“ zu sein. Für mich ist das so: Wenn ich meine Macht loslasse, was wird dann mit der Sicherheitslücke? Ich kann Kontakte blocken, Infos löschen und damit Gefühle der anderen unterbinden. Ich kann intern Alarm auslösen, sodass Leute abgezogen, eliminiert oder ausgehöhlt werden. Ich kann TherapeutInnen und durch sie ausgelöste Umbauten abblocken ... Schwer vorstellbar, was passieren würde, wenn ich einfach aufhören würde aufzupassen.
    MH: Du hast mir geschrieben: „Grob oberflächlich abgekürzt gehöre ich zu der ,Selbst-Schuld!-Kategorie‘ von Leuten. Ich glaube nicht an die Theorie, dass ein Mensch, ob nun Viele oder nicht, so viele Jahre lang nicht in der Lage gewesen sein soll, sich zu ‚befreien‘.“ Du schreibst: „Wir haben niemals Nein gesagt. Wir haben uns niemals gewehrt. Wir haben es nie als Gewalt empfunden – es war eben so.“ Bist du absolut sicher, dass ihr euch nie gewehrt habt?
    Sandra: Ja, ja. Haben wir nicht. Niemals. Ich verstehe das bei denen, die drei oder vier waren, wobei man auch in dem Alter eigentlich schon Nein sagen kann. Also nein, eigentlich verstehe ich es doch nicht – außer eben so, dass uns schon immer bewusst war, dass sie [die Menschen außen] nichts dafür können. Angefangen bei der Mutter – es

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