Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)
Interaktionen mit Erwachsenen schwierig. Sich auf Kinder zu beziehen ist einfacher für sie, weil sie Kinder als weniger bedrohlich ansehen. Beziehungen zu Erwachsenen vermitteln ihnen Gefühle von Unsicherheit und Unzulänglichkeit, während der Umgang mit Kindern ihnen ein Gefühl von Macht und Kontrolle verleiht“
(ebd., Übersetzung MH).
Es scheint so zu sein, dass die frühe, „verdrehte“ Erfahrung mit Sexualität dazu führen kann – und als Psychotherapeutin kann ich diese Vermutung nur bestätigen –, dass die später Jugendlichen und Erwachsenen in ihren Fantasien sich häufig Sex zwischen Kindern und Erwachsenen vorstellen. Dabei können diese Vorstellungen zum einen beängstigend, zum anderen aber auch sexuell stimulierend sein. Nicht alle werden dann Pädo-Kriminelle, also misshandeln auch ihrerseits Kinder. Doch die Zwangsgedanken und Gefühle, sich Sexualität zwischen Kindern und Erwachsenen vorzustellen, können sehr quälend sein. Wer sich dann trotz der Scham – jeder nicht schwerst psychisch erkrankte Mensch weiß, dass Sex mit Kindern verboten ist, und schämt sich für solche Gedanken – nicht darum kümmert, Hilfe zu finden, wird in Gefahr sein, die Gedanken und Gefühle auch zum einen innerlich ständig auf qualvolle Weise wiederzuerleben; zum anderen aber auch auszuleben. Häufig werden Menschen mit sexualisierten Fantasien in Bezug auf Kinder sofort als (potenzielle) Täter betrachtet, auch wenn sie diese Fantasien bisher noch nicht ausgelebt haben. Wir sollten ihnen stattdessen die Möglichkeit geben, ihre eigene Misshandlungsgeschichte anzuschauen und zu verarbeiten.
Es kann aber auch zu einer „Identifikation mit dem Aggressor“ kommen, wie PsychoanalytikerInnen das nennen. TraumatherapeutInnen mit guter Kenntnis der strukturellen Dissoziationstheorie werden vermutlich eher davon sprechen, dass „täterimitierende Anteile“ in der Persönlichkeit immer wieder die Oberhand gewinnen, und dann kann es sein, dass das Alltags-Ich des Betreffenden, der sich bemüht, die Gefühle und Gedanken an Sex mit Kindern aus dem Kopf zu bekommen, überwältigt wird von einem Zustand, in dem es ihm „egal“ ist und die Lust, dem bösen Impuls nachzugeben, alle guten Vorsätze beiseitefegt.
7.3 Pädosexuelle und Internet
„Der Pädosexuelle muss nicht mehr in der Videothek nah den verbotenen Filmen aus dem Regal unten rechts fragen. Er bedient sich im Internet aus einem unendlich erscheinenden Angebot an Kinderpornografie. Dazu kommen all die Socialnetwork-Plattformen wie Facebook, Twitter, Netlog oder Google+ etc. und unzählige Chaträume und Websites, auf welchen die Kinder sogar direkt angesprochen werden können. Auch die Vernetzung unter den TäterInnen ist viel einfacher geworden, sie sind nicht mehr in ihrem Umfeld isoliert, sondern finden sich gegenseitig im Netz. Im Allgemeinen kann gesagt werden, dass die Gesellschaft das Tabu des sexuellen Kindesmissbrauchs zwar angepackt und etwas abgebaut hat. Durch die vielen Möglichkeiten, gerade im Internet, ist die Gefahr für die Kinder gegenüber früher vermutlich trotzdem gestiegen. Zu einfach gelingt es den TäterInnen, mit Kindern in Kontakt zu treten, sie zu beeinflussen, sie zu treffen und dann sexuell zu missbrauchen, um dann diese Bilder wiederum ins Internet zu stellen. Dies widerspiegelt auch die Tatsache, dass wir heute nicht wenige Computer mit wenig Speicherplatz und einigen verbotenen Bildern sicherstellen, sondern bei jeder Hausdurchsuchung mehrere Computer finden und von den Datenmengen geradezu überflutet werden. ,Die Zeiten ändern sich eben‘, seufzt Thomas Werner, stellvertretender Leiter der Abteilung Kinderschutz bei der Stadtpolizei Zürich“ ( Castagna , Jubiläumsausgabe 2012, S. 21).
Die Vorbereitung durch häufiges Anschauen von Videos, die sexualisiert dargebotene bzw. gequälte Kinder zeigen – an die leicht heranzukommen ist – spielt dabei eine große Rolle, ebenso die häufigen Masturbationen, die ja Begleiterscheinungen des Pornokonsums allgemein sind. Auf diese Weise wird die Schwelle, sich tatsächlich an Kinder heranzumachen, niedriger. Und es gibt im Netz viele Möglichkeiten, auf außerhalb des Internets befindliche Newsgroups, „Schwarze Bretter“ und Tauschbörsen mit Kinderquäl-Material zu gelangen. Und dort werden die „getauschten“ Bilder zu Werbeanzeigen: „Dieses (oder ein ähnliches) Kind kannst du haben – willst du? Dann melde dich hier an ...“ Das wird im Internet nicht
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