Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)
Täter erfolgt war], desto höher die Übereinstimmung zwischen Tat- und Traumaprofil in den Details.“ Sprich: Die früh traumatisierten TäterInnen neigten am meisten dazu, ziemlich konkret ihre Opfer in dem Alter zu quälen, in dem sie selbst gequält worden waren, und überhaupt Details der Taten möglichst exakt so zu imitieren, wie sie sie selbst erlebt hatten.
Die Wut der Pädo„philen“
„Pädophile Straftäter berichten vielfach von intensiver Wut den Eltern gegenüber, und genau diese Wut kommt letztlich in ihren Taten zum Tragen“, resümiert Ingrid Wolff-Dietz in ihrer faktenreichen Studie (2007, S. 114). Der Hass auf die Menschen, die weggeschaut und / oder gequält haben, wo sie hätten schützen, Geborgenheit schenken und „wie Löwen für ihr Junges“ hätten kämpfen sollen – dieser Hass treibt viele sexualisiert misshandelte Kinder später immer wieder an. Gleichzeitig wird er zum Selbsthass, denn ist man nicht ein Teil dessen, den man so hasst? Ist nicht ein Teil des oder der Verhassten in einem selbst verankert? Spürt man nicht dieselben gleichgültigen, kalten, zerstörerischen Impulse immer wieder, vor allem in Stress-Situationen?
Jugendliche Sexualtäter greifen Kinder und Frauen an
Und der Hass schlägt früh zu: Jugendliche Sexualstraftäter sind für etwa 50 % der Übergriffe an Kindern und für etwa 30 % der Übergriffe an jugendlichen und erwachsenen Frauen verantwortlich (Barbaree, Hudson & Seto 1993; Becker, Harris & Sales 1993).
7.5 Was tun?
Entscheidend: früh eingreifen
„Durch eine frühe Intervention könnte also die Anzahl der Straftaten im Optimalfall um die Hälfte reduziert werden.“ Die Rückfallgefährdung jugendlicher Sexualtäter ist „dann gering, wenn es eine offizielle Sanktionierung für die sexualisierten Übergriffe gibt“ (Righthand & Welch 2004, S. 15; Übersetzung MH). Man stelle sich vor: Wenn sich um die gefährdeten Kinder mehr gekümmert und die Gewalt gegen Kinder in jeder, auch in der Form von sexualisierten Darstellungen und Filmen, selbstverständlich erst recht in Handlungen, nachdrücklicher geahndet würde – dann könnte mindestens die Hälfte aller Sexualverbrechen gegen Kinder, Jugendliche und Erwachsene verhindert werden. Wenn man das alles aber nicht tut, nimmt man gesellschaftlich solche Verbrechen sehenden Auges in Kauf. Wollen wir das? Wenn Sie es nicht wollen, die das hier jetzt lesen, dann tun Sie etwas. Verbreiten Sie die Zahlen und Fakten – vermutlich haben Sie einiges, was Sie in diesem Kapitel gelesen haben, vorher noch nicht gewusst. Fragen Sie, nicht nur vor Wahlen, Ihre Abgeordneten, was sie gegen Gewalt gegen Kinder zu tun gedenken. Nicht erst, wenn es zu spät ist, sondern vorher; man nennt das: Prävention. Fordern Sie, dass das Internet genauer kontrolliert werden muss auf Inhalte, die (sexuelle) Gewalt zeigen, vor allem Gewalt gegen Kinder oder Jugendliche; aber auch Gewalt gegen Frauen – ja eigentlich Gewalt überhaupt. Denn wer „bis zu seinem 18. Lebensjahr Zeuge von 16 000 Morden und 200 000 Gewaltakten“ wurde, wie ein durchschnittlicher amerikanischer (in anderen Ländern sieht es nicht viel anderes aus) Jugendlicher heute (Widmann 2012), wird einem heimlichen Lehrplan gefolgt sein: Gewalt gegen andere ist legitim, passiert oft, wird selten bestraft bzw. sieht oft „gerecht“ bzw. gerechtfertigt aus. Man gewöhnt sich in jedem Fall daran, sogar in westlichen Industrieländern, in denen gerade einmal seit wenigen Jahren kein Krieg herrscht. Krieg herrscht aber: in vielen Familien, in zerstörerischen Begegnungen, im Fernsehen an jedem Tag sowohl in den Nachrichten als auch in den zahllosen realitätsnah gefilmten Krimis, in denen das Blut in Strömen fließt.
Kinder, die sichere Bindungen erfahren haben, werden damit fertig, auch wenn es sicher nie schön ist, in einer Gesellschaft aufzuwachsen, die nichts dagegen hat, dass sie mit derart vielen brutalen Bildern „beschossen“ werden. Doch Kinder, die selbst schon Einsamkeit, Verlorenheit, Gewalt und die gewaltsame Inbesitznahme des eigenen Körpers durch andere erlebt haben, sind gefährdet. Gefährdet, wieder zum Opfer zu werden. Und gefährdet, zum Täter gegen Schwächere, vor allem gegen Kinder (besonders Mädchen) und Frauen zu werden.
Therapie hilft – meistens
Was hilft ist natürlich erst einmal Prävention – also das Verhindern der Gewalt. Doch wenn sie geschehen ist, dann helfen Intensivtherapien, die auf sicheren
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