Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)
so offen gesagt. Da spricht man dann von dem „Individualisten, der das Besondere sucht“, von „Kids-Freunden“ etc.
Niemals bisher war es so leicht für gefährdete Männer (es sind nur wenige Frauen unter den Tätern im Netz – man findet sie aber zuhauf unter den Opfern), ihrer Versuchung nachzugeben, wie heute. Man muss die Videos nicht in den Niederlanden bestellen; man muss eigene Fotos und Videos, die man von Kindern gemacht hat, nicht im örtlichen Fotolabor entwickeln lassen. Sondern man kann sie mit wenigen Mausklicks über Youporn auf andere Anbieterseiten überspielen. Und dann schauen, wie die Netz-„Gemeinde“ reagiert. Es werden garantiert viele Rückmeldungen und Angebote kommen. So einfach ist das heute – so gefährlich für Kinder und Jugendliche und Erwachsene, sich darin zu verstricken. In fast alle Kinderchats kommen Täter hinein; viele tun so, als seien sie selbst Kinder oder Jugendliche; Männer tarnen sich als Mädchen etc. – in der virtuellen Welt ist das alles ganz einfach. Die meisten Kinder im Netz werden über kurz oder lang Angebote von Pädokriminellen bekommen, sich mit ihnen zu treffen; und nur wenige Kinder werden ahnen, wer sie da erwartet, wenn sie sich auf ein persönliches Treffen einlassen.
Das eine sind also die Erfahrungen, die ein Kind in der Familie oder weiterer unmittelbarer persönlicher Umgebung macht. Das andere sind die Angebote, Verlockungen und Verführungen, die Kinder durch Angebote im Netz heute bekommen. Gerade die ohnehin gefährdeten Kinder und Jugendlichen, um die sich kaum jemand kümmert, sind in Gefahr. Verantwortliche Eltern achten darauf, dass ihr Kind die eigenen Grenzen erkennen und wahren kann. Sie begrenzen die Zeit und die Regionen, in denen ihr Kind im Internet unterwegs ist. Sie schauen sich an, auf welchen Seiten es war, und erinnern es daran, dass es niemals in Chats seinen echten Namen oder seine wirkliche Anschrift oder Telefonnummer nennen darf. Sie stärken ihr Kind, unseriöse Angebote zu erkennen, über seltsame oder beschämende Kontakte im Netz mit ihnen oder LehrerInnen etc. zu sprechen. Sie ermutigen es, brutale Fotos oder Videos im Netz oder auf den Handys der FreundInnen und MitschülerInnen nicht anzuschauen, Übergriffe Erwachsenen zu melden und sich insgesamt achtsam und verantwortlich zu verhalten. Doch Eltern, die von all dem nichts verstehen oder glauben, keine Zeit für solche Vorsichtsmaßnahmen zu haben, und Eltern, die ihre Kinder missachten oder misshandeln – sie sind ein großes Problem in unserer Gesellschaft. Denn ihre Kinder sind wirklich gefährdet, und sie schämen sich oft sehr. Täter verlangen Geheimhaltung, sie drohen oft extrem, etwa mit dem Tod von Haustieren, der Geschwister oder der Mutter. Oder mit dem Tod des bedrohten Kindes selbst. Deshalb sollten wir vor allem auf solche Mädchen und Jungen achten, die uns bedrückt, verschlossen und seelisch gequält erscheinen. Doch auch hinter so mancher „munteren“ Fassade kann sich ein Kind verbergen, das nicht mehr ein noch aus weiß.
7.4 Hass und die Folgen
Von Frauen missbrauchte Jungen
Ein erstaunlicher Befund: „Jungen, die von weiblichen Tätern missbraucht wurden, werden häufiger selbst zum Täter als solche, die von männlichen Tätern missbraucht wurden“ (Glasser et al. 2001). Wolff-Dietz (2007) vermutet, „dass es bei einem Missbrauch durch eine weibliche Person zu starken Unterlegenheitsgefühlen und zum Schwanken des ‚Männlichkeitsbildes‘ kommt, was durch einen späteren sexuellen Übergriff abzuwehren versucht wird“ (S. 112).
Mag sein. Man könnte aber auch vermuten: Die Umkehr spielt hier vielleicht eine große Rolle. Der von einer Frau (z. B. von der Mutter) gequälte Junge rächt sich später besonders „gern“ an Schwächeren – und es ist ja von der Statistik her wahrscheinlich, dass sein mögliches Opfer weiblich sein wird.
Misshandlungsmuster wiederholen sich
Es fällt auf, dass jugendliche Sexualstraftäter häufig selbst Opfer von sexueller Gewalt in ihrer Kindheit waren und „ihre Opfer auch in derselben Art missbrauchen, wie sie selbst missbraucht worden sind“ (Wolff-Dietz 2007, S. 113; s. a. Concepcion 2004, Hilton & Mazey 1996). Außerdem haben die Opfer meist das gleiche Alter wie sie selbst zum Zeitpunkt des eigenen Missbrauchs, auch das ist interessant, was den Wiederholungszwang angeht (Glasser et al. 2001).
Fischer et al. (2012) haben herausgefunden: „Je früher die Traumatisierung [der
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