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Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Titel: Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Huber
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solche Abbruchswünsche von KollegInnen geschildert worden. Meist in der Form, dass die KlientIn einfach nicht „beziehungsfähig“ sei, dass der Klient „destruktiv“ sei, dass sie „doch eine Borderline-Struktur“ habe, eine Psychose oder Schizophrenie; dass sie doch antisozial sei, doch eine PsychopathIn, mit anderen Worten: Dass die KlientIn schuld sei, denn sie hätte der TherapeutIn bislang nur etwas vorgespielt, sei „eigentlich“ aber so gestört, dass man sie nicht behandeln könne. (Die Suche nach dem Eigentlichen haben auch PsychotherapeutInnen offenbar unausrottbar verinnerlicht.) Manchmal auch in der Form, dass die TherapeutIn sich selbst beschuldigt: „Ich habe bestimmt etwas falsch gemacht. Ich war zu gewährend (ich war zu streng). Ich habe mich zu viel (zu wenig) um die ‚Kleinen‘ in ihr / ihm gekümmert. Sie / er hatte bestimmt Täterkontakt oder hat selbst wieder etwas angestellt und ich hab das nicht gemerkt (wollte das nicht wahrhaben)“ etc. Manchmal erreicht mich der Wunsch auch in erfrischend ehrlichem Gefühlsausbruch: „Kannst du mir nicht die Absolution geben? Ich will nicht mehr mit ihm / ihr arbeiten!“ Bis hin zu: „Ich sehe dann diesen kalten, bösen Blick – so hat mich immer mein Vater angeschaut. Das kann ich nicht, da breche ich lieber die Therapie mit dieser PatientIn ab.“ Meist werbe ich dafür, sich die eigenen Ängste anzuschauen und diese gegebenenfalls sogar noch einmal selbst psychotherapeutisch zu bearbeiten – und wenn irgend möglich – weiter mit der KlientIn zu arbeiten oder ihr – ohne sie zu beschuldigen – behilflich zu sein, jemand weniger Befangenes zu finden.
    Denn abgesehen von dem Sonderfall, dass tatsächlich KollegInnen dauerhaft von den Täter(introjekt)anteilen in einer KlientIn gequält bzw. gestalkt werden – in diesem Fall ist ein unzweideutiges Verhalten der Abgrenzung und Sanktionierung nötig –, gilt doch: Natürlich gibt es in jedem Gewaltopfer den „bösen“ Teil da innen oder mehrere davon. Schließlich wurde die KlientIn bösartig behandelt, also spiegelt sich das im Innern in mehr oder weniger von der Alltagsperson abgespaltenen Persönlichkeitsanteilen. Doch die allerwenigsten KlientInnen richten diese so destruktiv empfundenen Impulse direkt und ungefiltert gegen ihre TherapeutIn. Es ist eher ein Zeichen von zunehmendem Vertrauen, wenn sie ihr diese zeigen!
    Vielleicht gilt es überhaupt erst einmal zu untersuchen, was wir denn unter einem Täterintrojekt verstehen können, welche Bedeutung es in einer Persönlichkeit hat, um dann noch einmal nachzudenken, wie wir denn mit diesen Anteilen der Persönlichkeit umgehen könnten.
    10.3 Wie entsteht ein Täterintrojekt?
    Ein Täterintrojekt besteht aus den verinnerlichten Gedanken, Stimmen, Emotionen und Handlungsimpulsen eines Täters / einer Täterin, die auf eine sehr einfache, unmittelbare Art in die Persönlichkeit eines Opfers eindringen und dort ein Eigenleben führen. Vermutlich geschieht das auf dem Weg über die Spiegelneurone, in denen gespeichert wird, was andere uns buchstäblich vor-machen. Wenn wir als TherapeutInnen die Täterintrojekte einer KlientIn zu sehen und zu spüren bekommen, dann sehen und spüren wir also, was unsere KlientIn vom Täter, der sie gequält hat, gesehen und zu spüren bekommen hat. Wir hören, was sie gehört hat. Wir bekommen – in der Regel in äußerst gemäßigter Form! – „ab“, was sie erlitten hat. Und wir erhalten die einmalige Chance, diese abgespaltenen, zwangsweise aufgenommenen Partikel ihres Erlebens empathisch wahrzunehmen, ihnen stellvertretend für die immer noch entsetzten und erschreckten Bereiche ihrer Persönlichkeit die Hand hinzustrecken und sie einzuladen, statt immerzu feindselig und „anti“ zu sein, ihr Potenzial zu nutzen und der Persönlichkeit in ganz wesentlichen Bereichen beizustehen. Das ist eine für alle inneren „Anti“-Persönlichkeiten zunächst geradezu irrwitzige Vorstellung, die bei näherer Betrachtung aber durchaus interessant werden könnte.
    Bei früh traumatisierten Menschen besteht ein Täterintrojekt aus den verinnerlichten grausamen, hämischen, gleichgültigen, hasserfüllten, zynischen, beschuldigenden etc. Gedanken, Gefühlen und Handlungsimpulsen der – meist elterlichen – Bindungspersonen, die zum Täter am Kind geworden sind. Der typische Fall solcher Täter sind ein misshandelnder und ansonsten weitgehend abwesender Vater und eine gleichgültige, beschuldigende und

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