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Der Feind im Spiegel

Der Feind im Spiegel

Titel: Der Feind im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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begraben. Innerhalb von fünf Minuten hatte er total die Orientierung verloren. Er blieb mitten auf der Brücke stehen und versuchte herauszufinden, wo er eigentlich war. Er könnte zurückgehen und von vorn anfangen. Jedenfalls gab es keinen Grund, hier blindlings durch die Nacht zu rasen wie ein hilfloser Schuljunge. Die einzigen Geräusche stammten von den sanften Wellen, die gegen die Mauern schwappten, und den Regentropfen, die auf das Pflaster oder auf die Wasseroberfläche trafen.
    Dann hörte er den Schrei.
    Erst kurz und erschrocken. Dann lauter. Nicht weit weg, aber um Himmels willen wo in diesem labyrinthischen Gassengewirr? Noch ein Schrei, es war Aischa, und jetzt schwang Angst mit. Dann klang es erstickt, als hätte sich eine Hand über den aufgerissenen Mund gelegt. Er rannte nicht, ging aber zügig in Richtung des Schreis. Er trat möglichst leise auf und vermißte seine Pistole, nach der er nach alter Gewohnheit greifen wollte. Er mußte noch um eine weitere Ecke, über eine Brücke, an einer Hausmauer entlang und zu einer anderen Brücke zurück, als er grobe und drohende Stimmen vernahm. Er konnte die Richtung nicht recht ausmachen, aber dann hörte er Aischas Stimme, sie mußte ganz in der Nähe sein. »Per«, rief sie halb erstickt.
    »Nein. Nein. Nein. Don’t! «Und dann irgendwas Arabisches. Es konnte nicht weit sein. Er fiel in einen raschen Trab und wäre fast am Tatort vorbeigelaufen. Es war eine schmale Gasse, die zwischen zwei imposanten, grünstreifigen alten Häusern verlief und an einer hohen grauen Mauer endete, auf der ein trollartiges Gesicht Wassertropfen aus seinem verzerrten Maul fallen ließ.
    Ein muskulöser Mann in Jeans, einem schwarzen Sweatshirt mit Kapuze und Laufschuhen hatte Aischa an eine Hauswand gezwängt. Seine Linke war um ihren Hals gelegt und drückte ihren Hinterkopf gegen die rauhe, schmuddelige Mauer. Ihr Tuch lag auf der Erde. Mit der Rechten hatte er schon ihr Hemd aufgerissen und zerrte an ihrem BH, so daß der Verschluß im Rücken kaputtging. Toftlund stoppte seinen Lauf, machte kehrt und sprang in die Gasse. Er verfluchte sich selbst, als er in derselben Sekunde die Falle erkannte, am Rande seines Blickfelds sauste von oben eine Art vorsintflutlicher Totschläger auf seinen Kopf zu. Sein Arm tat höllisch weh, aber immerhin konnte er den Schlag so weit parieren, daß der Knüppel ihn nicht wie geplant mit voller Wucht im Nacken traf, was sein Aus bedeutet hätte, sondern an Schläfe und Wange abglitt und bereits ein wenig von seiner Kraft verloren hatte, als er auf seine Schulter prallte. Trotzdem jagte der Schmerz wie ein Feuerstrahl durch seinen Arm.
    Toftlund ignorierte die Schmerzen und drehte sich blitzschnell und geschmeidig zur Seite. Sein kräftiger Tritt traf den Angreifer, der schon aus dem Gleichgewicht geraten war, an dem Arm, der die Schlagwaffe hielt. Sie sah aus wie ein mit Stahlkugeln gefülltes Säckchen. Der Kerl hatte ebenfalls ein schwarzes Sweatshirt und dunkle Jeans an, trug aber eine Art Kampfstiefel, wie man sie in Militärgeschäften kaufen konnte. Er stieß ein unmenschliches Gebrüll aus und knallte gegen die Wand, als Toftlund sein Gewicht auf das andere Bein verlagerte und ihm die geballte Linke in den Adamsapfel rammen wollte, statt dessen aber die Nase traf, die wie Glas brach und sofort wahnsinnig zu bluten begann. Sicherheitshalber ließ Toftlund noch einen Schlag folgen, obwohl ihm sein Arm furchtbar weh tat. Diesmal mit der Rechten. Aber wieder auf die Nase. Als er dem Kerl mit der linken Handkante kreuzweise gegen die Schläfe hieb, verschleierte sich dessen Blick und verabschiedete sich dann ganz.
    »Per, Per, paß auf!«
    Es hatte nur zwei, drei Sekunden gedauert, bis er Aischas tränenerstickte Stimme hörte. Er schnellte herum, die Hände in klassischer Kampfsporthaltung. Der andere Kerl hatte Aischa losgelassen, die an der Wand in die Hocke rutschte und dabei versuchte, Hemd und Mantel über ihre entblößte Brust zu ziehen. Ein Klicken, der Mann hatte plötzlich ein Schnappmesser in der Hand. Ein kurzes Ding, aber scharf. Es drang durch Toftlunds Lederjacke und Hemd in seinen Arm, den er zur Verteidigung erhoben hatte. Toftlund ließ das Messer seine Arbeit tun und nutzte die Trägheit, die sich beim Zustechen entwickelte, zu seinem eigenen Vorteil. Er konnte gar nicht mehr zählen, wie oft sie in seiner Zeit als Froschmann die Verteidigung gegen Messerangriffe geübt hatten und wie oft ihr Übungsleiter ihnen

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