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Der Feind im Spiegel

Der Feind im Spiegel

Titel: Der Feind im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Sache überhaupt nachgegangen war.
    »Verschwendung von Ressourcen, Per«, sagte sie. »Und davon haben wir nicht allzu viele.«
    »Ich mußte der Sache doch nachgehen.«
    »Unsinn. Er ist tot. Das sagen unsere Verbündeten, und es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln. Wir haben wahnsinnig viel Zeit in die Terrorprävention investieren müssen, womit wir in der Form nicht gerechnet hatten, und jetzt kommt auch noch der EU-Vorsitz, der wird uns noch mehr Zeit kosten.«
    »Schon gut. Kein Grund zur Aufregung.«
    »Halte dich an deine Aufgaben. Und paß auf, daß die Vergangenheit dir nicht dein Urteilsvermögen trübt.«
    »Das tut sie nicht. Keine Sorge!« sagte er scharf.
    Sie sah ihn an. Sie wirkte noch nervöser als neulich, aber da war noch etwas anderes, was er nur ahnen konnte. Er wußte, daß der EU-Vorsitz Dänemarks einen ungeheuren Aufwand bedeutete. Kollegen aus dem ganzen Land würden herbeordert werden. Ausländische Staatschefs mußten bewacht werden, in politischen Kreisen würde die Angst vor einem Terrorangriff wachsen, der PND würde Stellungnahmen zu den prominentesten Mitgliedern der weitverzweigten Bewegung abgeben müssen, die gegen den diffusen Begriff der Globalisierung ankämpfte. Es hatte Krawalle von Seattle bis Göteborg gegeben. Man wollte die Grenzkontrollen wieder einführen. Die Logistik war beinahe unüberschaubar, und er wußte, daß Vuldom schon seit langem übermäßig viele Termine mit diversen Koordinierungsgruppen hatte wahrnehmen müssen. Der EU-Vorsitz hatte für die Regierung absolute Priorität, und die Staatssekretäre der wichtigsten Ministerien hatten unmißverständlich klargestellt, daß Köpfe rollen würden, falls die Polizei Mist baute. Als ob Jette Vuldom seine Gedanken lesen könnte, sagte sie: »Wenn dann hoffentlich alles glänzend über die Bühne gegangen ist, müssen die Kollegen ihre Überstunden abbummeln, und dann werden sich dieselben Politiker, die heute totalen Schutz und totale Kontrolle fordern, furchtbar darüber entrüsten, daß keine Leute da sind, die sich um simple Einbrüche kümmern oder alten Damen über die Straße helfen. Also, Per, konzentriere dich auf die Lebenden, die bereiten uns schon genug Probleme, und laß die Toten in Frieden ruhen.«

26
    Auf dem Hauptbahnhof in Valencia bestieg Vuk den vorläufig letzten Zug seiner Reise. Es war der Nahverkehrszug nach Cuenca. Er hatte die letzten Tage in Eisenbahnabteilen oder Bahnhöfen verbracht. Er war in einem Europa untergetaucht, das ihn nicht einmal nach seinem Paß gefragt hatte. In Paris hatte er einen Rucksack gekauft sowie ein paar T-Shirts, eine kurze Hose und eine Jeans, dann hatte er den Nachtzug nach Barcelona genommen und war von dort nach Valencia weitergefahren. Vielleicht wäre es über Madrid kürzer gewesen, aber der Zug nach Barcelona ging früher. Er war mit lauter anderen jungen Leuten unterwegs gewesen und hatte wie sie in den Zügen oder auf den Bahnhöfen übernachtet. Die Zeit zum Schlafen war kurz und unruhig. Er hatte mehrmals von Emma und den Kindern geträumt, aber wenn er, oft schweißgebadet, erwachte, konnte er sich kaum an den Inhalt der Träume erinnern. Die Farben grell und heftig, blaue Bäume und ein Meer rot wie Blut. Er hatte viel an sie gedacht, während er das monotone Hämmern des Zuges wie den Pulsschlag seines eigenen Körpers empfand. Er hatte die Fahrkarten mit den neuen Euronoten bezahlt, die die Kartenverkäufer nach wie vor in Francs oder Peseten umrechneten, weil die neue Währung noch so ungewohnt war. Mit der Zeit hatte er sich ein wenig entspannt, weil niemand seinen Paß sehen wollte. Er hatte das Eisenbahnfahren satt, andererseits war diese Form des Reisens ideal, weil es keine elektronischen Spuren hinterließ. In Valencia hatte er eine Prepaid-Karte mit einer spanischen Nummer für sein Handy gekauft, dann war er in ein Internetcafé gegangen, hatte eine neue Hotmail-Adresse eingerichtet und die Nummer an Mikes dritte Mailadresse, ebenfalls bei Hotmail, geschickt. Seine Mail bestand nur aus dem Wort Cuenca und der Handynummer.
    Vuk betrachtete die Landschaft, die draußen vorüberglitt. Es war ein älterer Regionalzug, der an jeder Station mit kreischenden Bremsen hielt und mit blauen Sitzen und orangefarbenen Papiertüchern über den Kopfpolstern ausgestattet war. Die anderen Fahrgäste schienen Leute aus der Gegend zu sein, die in Valencia einkaufen gewesen waren. Vuk war begeistert von der Landschaft und der gewaltigen Hitze, die ihn

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