Der Feind im Spiegel
Sprünge zu helfen.
»Sie kennt sich im Islam oder solchen Sachen genausowenig aus wie wir.«
»Nein. Aber die hier kennt sich darin aus.«
Wie eine Taschenspielerin zog Vuldom eine grüne Mappe aus ihrer Schreibtischschublade und legte sie offen vor ihn hin. Zuoberst lag das Foto einer dunkelhäutigen jüngeren Frau mit kurzgeschnittenem schwarzen Haar und braunen, fast sanften Augen. Toftlund hob das Foto an, darunter lag ein Sicherheitsbericht. Sie war überprüft worden, das war mehr als deutlich.
»Sie heißt Aischa Hussein. Sie ist 33, Palästinenserin, kam mit vier Jahren nach Dänemark, Diplom in politischer Wissenschaft, die erste Akademikerin in ihrer Familie. Der Vater ist im Vorruhestand, die Mutter quasi Analphabetin, zwei jüngere Brüder, der eine hat ein Gemüsegeschäft in Værløse, der andere studiert Medizin. Eine erfolgreiche Einwandererfamilie.«
»Seit wann holen wir uns Leute von außerhalb des PND?«
»Haben wir nie gemacht.«
»Eben.«
»Eben, Per. Und deshalb fangen wir jetzt damit an. Ich will dem Reichspolizeichef und dem Justizminister vorschlagen, daß wir so schnell wie möglich in den Tageszeitungen Anzeigen aufgeben, in denen wir – wie soll ich sagen – Berater suchen, Spezialisten, die sich mit dem Islam, arabischer Sprache und Geschichte auskennen. Eben alles mitbringen, was wir nicht haben.«
»Wäre es nicht auch möglich, daß amerikanische Rechtsextremisten hinter dem Anschlag stecken«, meinte Toftlund. Er konnte den Gedanken nicht ausstehen, daß Leute von draußen Einblick in seine geheime Welt bekommen sollten.
»Möglich schon, aber ich glaube es nicht.«
»Ist sie Muslimin?«
»Ja. Hast du was gegen Muslime?«
»Weiß ich nicht. Ich kenne keine. Außer denen, die ich im Laufe der Zeit festgenommen oder ausgewiesen habe, als ich bei der Grenzpolizei war.«
»Da kannst du mal sehen.«
»Aber das wird nicht gerade einfach, wenn Religion während der Arbeitszeit auf einmal eine Rolle spielt. Falls du verstehst, was ich meine.«
»Das will ich gar nicht erst kommentieren, Toftlund.«
»Was ist sie für eine?« Per zeigte auf den Sicherheitsbericht. »Und warum hast du sie überprüfen lassen?«
Vuldom lächelte.
»Du bist wie die meisten Männer, du bist konservativ und haßt Veränderungen, ich weiß, aber ich habe seit langem das Gefühl, daß wir ein Wissensdefizit haben, ich habe die Debatte in den Zeitungen verfolgt, und ich fand ihre Beiträge bemerkenswert. Sie ist Demokratin und Muslimin, sie ist sich ihrer Herkunft bewußt, aber sie fühlt sich als Dänin. Was sie ja auch ist. Sie ist intelligent und langweilt sich in ihrem Job im Lebensmittelministerium. Sie ist aktives Mitglied in einer Gruppe akademisch gebildeter Einwanderer der zweiten Generation. Sie sind fachlich und politisch aktiv, aber nicht fundamentalistisch. Weder Vater noch Mutter haben irgendeine Verbindung zu radikalen Gruppen. Sie ist über jeden Verdacht erhaben.«
»Was ist mit Männern?«
»Sie ist nicht verheiratet, aber es hat Männer in ihrem Leben gegeben, ein bißchen viele sogar, aber keinen, über den wir was hätten. Sie war mit gleichaltrigen Immigranten und ein paar Dänen befreundet. Im Gymnasium hatte sie einen dänischen Freund.«
»Was sagt die Familie dazu?«
»Ich vermute, sie mußte einige Kämpfe ausfechten, aber das macht sie nur noch brauchbarer für uns.«
»Und, will sie?«
»Ich habe vor, sie heute abend zu überzeugen. Vor einem Monat hatte ich ein kleines, inoffizielles Treffen mit ihr, da klang sie nicht uninteressiert, außerdem konnte sie sich natürlich schon denken, weswegen die Chefin des PND sie zu einem Imbiß ohne Schweinefleisch eingeladen hat.«
»Sehr witzig, Vuldom.«
»Ja, nicht?«
»Sehr vorausschauend.«
»Ja, nicht?«
»Das heißt, ich darf das Personal für meine kleine Gruppe nicht ganz alleine auswählen?«
»Nicht, wenn sie ja sagt. Dann wird sie deine engste Mitarbeiterin, von deren Sprachkenntnissen und Sachwissen du profitieren wirst und die du gleichzeitig mit den dunkleren und verborgeneren Seiten unserer Geheimdienstwelt vertraut machen wirst. Du bekommst dann auch ihr Dossier. Im übrigen mußt du dich sowieso an den Gedanken gewöhnen. Sie wird nur die erste von vielen sein. Was meinst du?«
»Du weißt, ich bin dazu erzogen, Befehle zu befolgen und zu tun, was der Boß sagt«, sagte er mit einem Lächeln.
»Na, nicht immer, Per. Aber lassen wir das.«
Sie sah auf ihre Uhr.
»Dann komm in die Gänge. Wegen
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