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Der Feind im Spiegel

Der Feind im Spiegel

Titel: Der Feind im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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sie furchtbar verschnupft.
    »Du mußt doch noch was anderes gesagt haben.«
    »Er hat gesagt, daß ich keine a’ard habe. Daß ich eine Schlampe bin und daß er von Schlampen, die in Diensten von Alkufar stehen, keine Anweisungen annimmt.«
    »Ich kapiere nicht die Hälfte von dem, was du da redest. Was hast du dann gesagt?«
    »Nichts.«
    »Ich muß das wissen. Das ist auf der Kassette, verflucht noch mal!«
    » Ja ibn al-sharmutah. «
    »Was ist los?«
    »Hurensohn. Ich habe ihn Hurensohn genannt.«
    »Klasse, Aischa. Einfach klasse.«
    »Ich war wütend. Ich will nicht Nutte genannt werden.«
    Toftlund hatte sich über sie gebeugt. Er reichte ihr die Hand, besann sich dann aber anders und richtete sich auf.
    »Du verstehst mich falsch. Ich meine, es war in Ordnung. Hat doch gewirkt. Wir haben ihn aus der Defensive gelockt. Es lief viel besser als erwartet.«
    »Er hat mich geschlagen.«
    »Das wird ihn teuer zu stehen kommen. Wie geht’s dir?«
    Er hörte ihre Antwort nicht mehr. Eine jüngere Beamtin trat ins Zimmer.
    »Raus mit dir, Toftlund!«
    »Hej, Helle.«
    »Raus, habe ich gesagt. Was habt ihr hier bloß veranstaltet?«
    Toftlund wandte sich an Aischa.
    »Was hat Marko eigentlich am Schluß gesagt?«
    Aischa zog Blut in ihre Nase hoch.
    »Er sagte, wir wären alle Verdammte. Daß wir alle in der Hölle braten werden. Das Feuer al-na’r wird uns vernichten. Unsere ungläubige Welt wird in Schutt und Asche sinken wie die beiden Türme, und dar al-harb, das Haus des Krieges, wird ersetzt von dar al-islam, weil der große jihad im Gange ist und nicht aufgehalten werden kann, so wahr wie Allah groß ist und die Märtyrer im Paradies an seiner Seite sitzen. Und dann einen Haufen Verwünschungen auf unsere Nachkommen bis in alle Ewigkeit.«
    Toftlund schaute sie an. Helle schielte zu ihm herüber. Aischa war blasser geworden. Es war wohl nur das Nasenbluten, vielleicht aber auch eine leichte Gehirnerschütterung. Das schlechte Gewissen machte sich wieder bemerkbar, andererseits konnte er seine Zufriedenheit nur schwer verbergen.
    »Kümmer dich um sie, Helle. Vielleicht sollten wir sie doch lieber noch im Krankenhaus untersuchen lassen.«
    »Nun laß uns mal alleine, Toftlund.«
    »Selbstverständlich. Aber, Aischa? Was ist denn das für ein Haß? Warum haßt Marko uns so?«
    »Frag Ibrahim. Ich finde, wir sollten Ibrahim in Venedig besuchen. Er kann dir deine Fragen beantworten.«

14
    Zwei Minuten war Vuk nun schon unten, aber er wußte, daß er es locker noch eine Minute länger aushalten konnte. Er liebte dieses Gefühl der Kraft und der Leichtigkeit seines Körpers, wenn er senkrecht zu den Fischschwärmen und den farbenprächtigen Klippen hinabtauchte. Durch das Glas der Tauchermaske erschien alles verzerrt und ein wenig vergrößert. Die Harpune ausgestreckt und die Beute in Reichweite. Es war ein Gewimmel von Fischen, deren Namen ihm unbekannt waren. In allen Größen und Farben. Es war eine andere, friedliche Welt, obwohl er natürlich wußte, daß sie genauso unerbittlich war wie die Welt über Wasser. Am Meeresgrund angekommen, drehte er sich um und blickte durch das giftgrüne Wasser hinauf. An der Oberfläche schaute Mike suchend zu ihm hinunter. Mikes schwarzer Körper mit den feuerroten Badeshorts. Mike, sein Aufpasser und Fastfreund, auch wenn keiner von ihnen je zugeben würde, daß er sich in der Gesellschaft des anderen wohl fühlte. Die Konventionen erlaubten es nicht. Er genoß den Geschmack des salzigen Wassers, und die Lichtstreifen sahen durch den Wasserspiegel gefiltert aus wie Notenzeichen auf einem wogenden Bildschirm. Das Meer war ruhig heute. Aber das konnte sich innerhalb weniger Minuten ändern. Es konnte still und grün daliegen und sich plötzlich in haushohen Wellen erheben. Das Dröhnen der langen Dünungen konnte die Villa, in der er wohnte und verhört wurde, so gewaltsam erschüttern, daß man meinte, die ganze Insel in ihren Fugen knarren zu hören. Das Meer lebte, ohne Vorwarnung änderte es sein Temperament. Es konnte sanft und zärtlich sein wie sein Leben mit Anna und gnadenlos wie seine Vergangenheit, mit der er jeden Vor- und Nachmittag bei den Verhören konfrontiert wurde. Er liebte das Meer. Die Insel war ein angenehmes Gefängnis, aber ein Gefängnis war es trotzdem.
    Träge schwebte er umher. Er spürte den anwachsenden Druck in den Lungen. Er mußte bald hoch. Damals als Froschmann konnte er sich bis zu fünf Minuten unten halten, aber da war er noch jung

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