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Der Feind im Spiegel

Der Feind im Spiegel

Titel: Der Feind im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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fest und ließ sich mit ihm treiben, während die gurgelnden Wirbel langsam schwächer wurden.
    Weit draußen lockerte die Querströmung endlich ihren Griff, die See war wieder friedlich, als wäre nichts geschehen. Die Insel erschien aus der Entfernung schön, grün und unberührt.
    »Alles okay, Mike?«
    »Gar nichts ist okay, Mann. Ich war fast übern Jordan!«
    »Aber nur fast. War das nicht toll? Wie auf einer Rutschbahn.«
    »Du hast echt eine kranke Art von Humor, Mensch.«
    »Was für eine Kraft!«
    »Einen kranken, beschissenen Humor, Mann! Und vielleicht kannst du mich mal loslassen, Kerl. Wir sehen ja aus wie ein paar Schwule!«
    Und dann lachten sie und schwammen umeinander herum und bespritzten sich mit Wasser wie übermütige Kinder, die nach einem langen, dunklen Winter erstmals wieder baden gehen können.
    Mike war der erste, der mit der ausgelassenen Toberei aufhörte, und die Angst und der Schock kehrten in seine Augen zurück. Er drehte sich auf den Rücken und ließ sich treiben. Vuk tat es ihm nach. Er hatte Mike beigebracht, daß allein die Luft in seinen Lungen ihn in dem salzigen Wasser tragen konnte, wenn er sich nur entspannte.
    »Du hast mir das Leben gerettet«, sagte Mike.
    »Spar dir die Kräfte, Mike.«
    »Du hast mir das Leben gerettet.«
    »Du, es ist noch nicht überstanden. Wir müssen noch an Land.«
    Mike richtete sich auf. Die Küste war mindestens zwei Kilometer entfernt.
    » Fuck. So weit schaff ich’s nicht. Das sind Meilen bis dahin. Und Haie gibt’s hier bestimmt auch.«
    Vuk sagte nichts. Er spürte die Strömung. Sie war nicht sehr stark, aber sie trug sie unablässig hinaus. Er selbst würde es wohl schaffen, aber Mike? Die Strömung war ein ernstzunehmender Gegner. Nach wie vor wurden sie mit unerwartet hoher Geschwindigkeit abgetrieben. Die Insel wurde immer kleiner, es war, als versänke sie im Meer. Vielleicht waren sie sogar noch weiter draußen. Die klare Luft machte es schwer, die Entfernungen richtig einzuschätzen. Sie trieben aufs offene Meer hinaus. Das rettende Ufer entfernte sich immer mehr. Und er war sich nicht sicher, daß er Mike so weit ziehen konnte. Über kurz oder lang würde auch er schlappmachen, und dann würde die Luft in den Lungen sie auch nicht mehr tragen.
    Vuk sah es zuerst.
    Das große Schlauchboot aus der Villa. Joe bediente den starken Außenbordmotor, und im Steven saß der Oberst mit einem Zigarrenstummel im Mundwinkel. Auch CIA-Mann Phil Marker war an Bord. Sie sahen die Bugwelle, und Mike fing an, in der Luft herumzufuchteln.
    »Spar dir deine Kräfte, Mike. Sie haben uns gesehen. Spar dir deine Kräfte.«
    Joe drosselte die Geschwindigkeit, umkreiste sie und würgte fast den Motor ab. Mike und Vuk schwammen auf den großen schwarzen Zodiac zu, es war der gleiche Typ, wie das Militär ihn benutzte. Sie hatten ihn von einer Firma gemietet, die damit Touristen hinausfuhr, um Buckelwale zu beobachten. Mike und Vuk ergriffen das Tau, das an der Seite hing. Joe hielt das Boot auf der Stelle, indem er gegen die Strömung lenkte.
    »Braucht ihr eine Mitfahrgelegenheit, Mädels?« fragte der Oberst, ohne den Stummel aus dem Mund zu nehmen.
    »Kannst du ihnen bitte mal helfen, Phil? Fucking idiots! «

15
    Der Oberst gab ihnen für den Rest des Tages frei. Brüsk blieb er weiterhin, das war einfach sein Stil, aber der Totentanz, den Vuk und Mike miterlebt hatten, hatte ihn wohl doch ein bißchen milder gestimmt. Ihre Rettung hatten sie Joe zu verdanken. Er hatte die Welle, diesen plötzlichen Wechsel, für den der Stille Ozean an der Nordküste Kauais berüchtigt war, vorausgeahnt. Dann hatte er gesehen, wie sie von der zurückdrängenden Strömung gepackt und aufs Meer hinausgetragen wurden, und war zum Bootssteg gestürmt, um das Schlauchboot klarzumachen.
    »Heute gibt’s nichts mehr zu besprechen. Für morgen ist alles vorbereitet, wenn der Psychologe mit seinem Polygraphen kommt. Chauffier den Gefangenen ein bißchen durch die Gegend, Mike!«
    Mike schlug vor, im nahegelegenen Ort Hanalei einen Hamburger zu essen. Vuk spürte, daß Mike noch immer erschütterter war, als es nach außen hin den Anschein hatte. Er versuchte sich zusammenzureißen, das war klar. FBI-Agent und traditioneller Amerikaner. Als er sah, daß der Oberst kein Mitgefühl zeigte, wußte Mike, daß er es wie ein Mann zu nehmen hatte. Es war überstanden, und niemand war verletzt. Es gab keinen Grund, ihr Tête-à-tête mit dem Tod noch weiter zu erwähnen. Aber

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