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Der Feind im Spiegel

Der Feind im Spiegel

Titel: Der Feind im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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werden wir ja sehen. Heute nachmittag. Für eine Gondelfahrt bleibt leider keine Zeit.«
    Er griff nach der Zeitung und blätterte darin, legte sie dann wieder weg; sie mußten die Lehnen aufrecht stellen, gleich würden sie landen. Wie auf Bestellung brach die Sonne durch die Wolken, und unter ihnen erschien die grüne Lagune, und in der Ferne lag Venedig wie eine märchenhafte Spiegelung, die auf dem Meer zu treiben schien.
    Als sie im Wassertaxi vom Flughafen in die Stadt fuhren, herrschte wirklich Frühling. Sie saßen hinten in dem flachen braunen Boot, und der Wind zauste ihnen die Haare, während die Stadt vor ihren Augen emporwuchs. Das Licht über der Lagune ergab mit der Stadt in der Ferne eine Mischung aus Grün, Blau und Meeresgrau. Aischa freute sich auf das Wiedersehen. Toftlund verwendete dieselben Ausdrücke der Begeisterung für diesen magischen Ort, wie sie ankommende Reisende seit Jahrhunderten benutzen. Als sie sich Venedig an den langen Reihen von Pfählen entlang näherten, die in den Grund der Lagune gerammt waren, schien die Stadt tatsächlich aus dem Wasser emporzusteigen. Sie fuhren in den Canal Grande ein. Sie begegneten vielen Motorbooten und mehreren Gondeln sowie einigen flachen, mit Obst beladenen Lastkähnen. Es roch ein wenig nach brackigem Wasser, und aus der Nähe sah man, daß das Wasser an vielen Häusern Schmutzstreifen hinterlassen hatte. Ein Vaporetto fuhr an ihnen vorbei, dann bog ihr Wassertaxi rechts in einen kleineren Kanal ein, um ihr Hotel anzusteuern, wo sie an einem Anlegeplatz mit in Bonbonfarben gestreiften Stangen haltmachten, die Toftlund an die Mickymaushefte seiner Kindheit denken ließen. Die Touristensaison hatte bereits angefangen, sie hatten bei den Hotels keine große Auswahl mehr gehabt. Sie hatten nur noch ein ziemlich teures erwischt, das direkt am Großen Kanal gelegen war.
    Toftlund stieg an Land und half Aischa hoch, bevor er den Fahrer bezahlte, oder mußte es Steuermann heißen, wo es sich doch um ein Boot handelte? Der Kanal war schmal. Das Wasser schlug glucksend und behäbig an die grünschleimigen Mauern.
    » Vamos chica. In ein paar Stunden haben wir unsere Verabredung mit deinem Ibrahim«, sagte er, nahm ihren Arm und führte sie in das Hotel.

19
    Per Toftlund wußte nicht recht, was er von Venedig halten sollte, als sie vom Hotel Metropole zum Markusplatz spazierten. Natürlich, es war ein besonderer Ort, aber er hätte nicht sagen können, was ihm dort häufiger unter die Augen kam: Tauben, Taubenmist, Touristen oder die afrikanischen Ramschverkäufer, die im heutigen Europa die treuen Begleiter aller Reisenden sind. Die Menschen wurden immer mehr, je näher sie dem Markusplatz kamen, wo die fliegenden Ratten, wie Toftlund die Tauben nannte, wirklich allgegenwärtig zu sein schienen, flatternd, kotend, fressend. Die Gebäude machten diesen Eindruck allerdings wieder wett, auch wenn sie nach dem langen, nassen Winter ein wenig mitgenommen und schmuddelig wirkten.
    »Wo, verdammt noch mal, kommen denn die ganzen Leute her?« fragte Toftlund genervt.
    Aischa sah ihn an.
    »Von überall. Touristen. Venedig sehen und sterben. Weißt du doch.«
    »Ich hasse Tauben.«
    Sie lachte.
    »Dann ist ja gut, daß es immer weniger werden, auch die Touristen übrigens, wenn wir uns vom Markusplatz ein bißchen entfernen. Nehmen wir ein Wassertaxi? Es ist eine ganz schöne Strecke bis zum jüdischen Viertel.«
    »Nein. Laß uns ein bißchen laufen. Aber wie, verdammt noch mal, kommen denn die Leute hierher? Es gibt doch gar keine Straßen.«
    »Mit Bussen. Sie halten auf der anderen Seite der Brücke. Die meisten sind Tagestouristen. Heute abend wirst du sehen, daß Venedig, wenn die Dunkelheit einbricht, eine stille, verträumte Stadt ist. Wie im Märchen. Voller Geschichte, Mythen und Gespenster.«
    »Gespenster?«
    »Klar.«
    »Du bist also schon oft hier gewesen?«
    »Ein paarmal. Aber ich verirre mich immer noch schnell, wenn ich in das Gassen- und Brückengewirr gerate, dann weiß ich plötzlich überhaupt nicht mehr, wo ich bin. Macht aber nichts. Es ist eine herrliche Stadt, um sich darin zu verlaufen.«
    »Also, dann führ uns mal in die Irre.«
    »Ich halte mich erst mal an den Weg, den ich kenne, um zu Ibrahim zu gelangen, ja?«
    Als sie den Markusplatz mit seiner Kakophonie aus den Sprachen sämtlicher Völker und dem Flügelgeflatter der Tauben verließen, verlor Toftlund rasch die Orientierung. Er wußte nicht, was ihm auf dem Platz

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