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Der Feind in deiner Nähe

Titel: Der Feind in deiner Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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freiwillig in eine psychiatrische Klinik einweisen lassen.«
    »Ich hätte den toten Vogel nicht erwähnen sollen, oder? Und die Katze. Das war doch nur ein Vergleich.«
    Dr. Mehta sprach weiter, als wäre ich gar nicht im Raum.
    »Wie gesagt, ich hätte gern, dass Sie sich freiwillig einweisen lassen. Wenn Sie damit nicht einverstanden sind, werden wir uns überlegen, Sie gegebenenfalls gemäß der Bestimmungen des Mental Health Act zwangseinweisen zu lassen.«
    »Sie wollen mich zwangseinweisen lassen? Ist das Ihr Ernst?
    Das macht man doch sonst nur mit richtig Wahnsinnigen, die mit einem Messer auf der Straße herumlaufen und Leute bedrohen. Sehen Sie mich doch an. Ich sitze hier ganz rund, ich meine natürlich ruhig, und führe mit Ihnen dieses völlig bescheuerte Gespräch.«
    »Eine solche Zwangseinweisung ist ein ziemlich aufwändiger Prozess. Man braucht dazu zwei voneinander unabhängige Arzte und einen Sozialarbeiter, und wir müssten eine Menge Formulare ausfüllen. Aber falls nötig, werden wir das tun. Aber jetzt möchten Sie wahrscheinlich erst einmal mit Ihrem Mann sprechen.«
    »Um mich zu verabschieden? Ich möchte mich aber nicht verabschieden, ich möchte nach Hause. Mehr brauche ich gar nicht. Wenn Sie mich nach Hause gehen lassen, wird alles wieder in Ordnung kommen.«
    Dr. Mehta schien mir gar nicht mehr richtig zuzuhören. Ich war wie ein Radio, das weiterlief, während sie sich wieder ihrer Arbeit zuwandte. Nachdem sie weg war, kam Charlie herein. Er sah aus, als wäre er derjenige, der Hilfe brauchte.
    »Holly«, sagte er mit Grabesstimme. »Es tut mir Leid.«
    »Hat sie mit dir gesprochen? Sie wollen, dass ich bleibe. Am liebsten würde ich einfach abhauen, aber du müsstest mir erst meine Klamotten bringen. So kann ich nicht auf die Straße.«
    Dann sah ich sein Gesicht, das in dem grellen Krankenhaus-licht zerfurcht und müde wirkte, und plötzlich verließ mich mein ganzer Kampfgeist. Ich fühlte mich erschöpft, gedemütigt und zutiefst beschämt. Ich streckte die Hand aus und berührte Charlie sanft am Arm. Er zuckte zusammen. »Wenn du es für richtig hältst … Ich werde tun, was du willst. Du musst es mir nur sagen.«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete er. »Ich weiß es doch auch nicht.«
    »Schon gut«, sagte ich. »Ich werde auf der gepunkteten Linie unterschreiben, Charlie. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
    Ich wünschte mir, er würde protestieren, aber das tat er nicht.
    Stattdessen nickte er nur bedächtig.
    »Sie werden dir helfen«, sagte er.

    24
    Sie halfen mir nicht. Sie machten es nur noch schlimmer.
    Ich war wie ein Auto, das ein paar grundlegende Reparaturen gebraucht hätte, das aber statt in der Werkstatt auf dem Schrott-platz gelandet war, wo man die Fahrzeuge erst ausschlachtet, indem man Türen, Radios und alles, was noch irgendeinen Wert hat, ausbaut, und sie dann zu Stapeln aufgetürmt dem Rost überlässt.
    Die Krankenschwester aus Simbabwe gab mir Tabletten, die mich angeblich beruhigen sollten, aber ich glaube nicht, dass ich sie nahm. Ich weiß noch, dass sie mich an beiden Armen festhalten mussten und irgendetwas zu Bruch ging, ich erinnere mich an Glasscherben auf dem Boden.
    Ich schlug um mich wie ein verängstigtes Kind. Nachdem ich die Tabletten wieder ausgespuckt hatte, zeigte mir Dr. Mehta eine Spritze, ich sah den glitzernden Tropfen an der Spitze.
    Obwohl ich versuchte, ihr auszuweichen, schob sie sie mir in den Arm, und ich spürte schon wenige Sekunden später, wie, ausgehend von der Nadel, eine Welle der Wärme meinen Arm hinauflief und sich in meinem Körper ausbreitete. Nun konnte ich endlich loslassen und mich dem Schlaf hingeben, wo nichts mehr wichtig war. Ein kleiner Teil von mir hoffte, dass ich nie wieder aufwachen und weiterkämpfen musste.

    Die Tage waren wie ein Traum, an den ich nur bruchstückhafte Erinnerungen habe. Ich blicke auf diese Zeit zurück und sehe eine Frau, die wohl ich gewesen sein muss. Es schien, als hätten sich innere und äußere Welt vermischt, sodass ich sie nicht mehr voneinander unterscheiden konnte. Eine Weile beobachtete ich mich selbst, dann verlor ich mich aus den Augen, um irgendwann abrupt wieder aufzuwachen und dann erneut hilflos abzudriften.
    Ich hatte erwartet, dass sie mich an einen sicheren, ruhigen Ort bringen würden, wo ich mich erholen konnte, aber dem war nicht so. Nachdem man mich ein paar Tage lang in einer psychiatrischen Klinik ruhig gestellt und durchgecheckt hatte –
    ich

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