Der Feind meines Vaters - Roman
nicht zulassen konnte, dass der schönste Geburtstag meines Lebens so böse endete, war ich derjenige, der eine Lösung fand.
»Seid mal eben still«, bat ich sie, und zum ersten Mal hörten sie auf mich. »Ich weiß, was wir machen. Wir hängen die Urkunde in meinen Schrank. Dann kann Mutter sie genauso wie ich jeden Tag ansehen und zeigen, wem sie will, aber der Leutnant wird sie nie zu Gesicht bekommen.«
»Ja, das ist eine gute Idee.« Er nickte, während sie auf mich zulief und mein Gesicht mit beiden Händen umfasste.
»Du bist wirklich klug, mein Junge.«
Noch am selben Abend, bevor wir ins Bett gingen, schlug Vater zwei kleine Nägel in die Leiste meines Kleiderschranks, und dort blieb die Urkunde fortan, versteckt und sichtbar zugleich. Kurz vor dem Einschlafen dachte ich noch, dass nur Pepe an meinem elften Geburtstag gefehlt hatte. Er war vor ein paar Tagen nach Úbeda gefahren, wo seine Mutter unerwartet hatte operiert werden müssen. Ich komme so schnell wie möglich zurück, hatte er Paula versprochen, doch es vergingen noch zwei Wochen, bis er seine Eltern wieder verlassen und in seine Mühle zurückkehren konnte. Auch er brachte mir ein Geschenk mit, das mir sehr gefallen hätte, wäre es nicht so spät gekommen.
»Mach es auf. Oder träumst du?«
Er hatte mich nach der Schule abgeholt, und wir waren in das Café am Dorfplatz gegangen, eine Art Niemandsland zwischen Cuelloduros Bar und dem Gemeindezentrum, wo Carlos Mariamandil das Sagen hatte, Don Justinos Bruder. Pepe legte ein längliches Päckchen auf den Tisch, und ich blickte darauf, als wüsste ich nicht, was ich damit anfangen sollte. In einem granatroten Etui lag ein schwarz lackierter Füller mit goldenem Rand. Er war wunderschön, und ich hatte noch nie einen besessen, nicht einmal einen hässlichen, doch an diesem Nachmittag hätte mich gar nichts aufmuntern können.
»Vielen Dank«, sagte ich dennoch, wie ein guterzogener Junge. »Er ist sehr schön.«
»Er ist gebraucht, stell dir vor! Ich habe ihn einem Trödler in Úbeda abgekauft, das kann ich dir ja ruhig sagen, aber er schreibt sehr gut. Er hat ihn vor meinen Augen gefüllt.« In diesem Moment fiel ihm wohl auf, dass ich gar nicht zuhörte. »Was ist los mit dir, Nino?«
»Alles ist am Arsch, das ist los.«
»Alles?« Er fasste mich am Kinn und zwang mich, ihn anzusehen. »Was alles?«
»Alles eben«, erwiderte ich. »Alles.«
Vater hatte eine volle Woche verstreichen lassen, ehe er mich aufklärte, genau wie im Jahr zuvor. Wie damals hatte er gewartet, bis meine Schwestern zu Bett gegangen waren, aber auch wenn er sich mehrmals mit der Hand über den Kopf gefahren war, von der Stirn bis zum Nacken, wie immer, wenn er Mühe hatte, die Worte zu finden, die er brauchte, redete er dieses Mal nicht lange um den Brei herum.
»Hör mal, Nino. Ich wollte dir etwas sagen … Nun, dieses Jahr bist du ganz schön gewachsen, nicht wahr? Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, weil es so langsam ging bei dir und du immer kleiner warst als deine Freunde, aber jetzt bist du schon fast so groß wie Miguel, und deshalb … Ich glaube jetzt eigentlich doch, dass du die erforderliche Größe haben wirst, um in die Guardia Civil einzutreten …«
»Ich will aber nicht zur Guardia Civil, Vater.«
»Das kannst du noch gar nicht wissen, Nino. Du bist noch viel zu jung. Wenn du erst erwachsen wirst …«
Ich merkte, dass er meinen Worten keinerlei Beachtung schenkte, und unterbrach ihn, um sie entschiedener, knapp, fast herausfordernd zu wiederholen.
»Ich werde nicht zur Guardia Civil gehen.«
Erst da horchte er auf. Er hob den Kopf und sah mich mit einem unergründlichen Ausdruck an, in dem sich Härte und Enttäuschung mischten, aber auch Verständnis und der Wunsch, sich selbst verständlich zu machen.
»Na schön«, fuhr er ernst und beherrscht fort, »das ist deine Sache, trotzdem wird dir diese Möglichkeit immer offenstehen. Ich selbst hatte viel weniger Möglichkeiten im Leben, weißt du. Und deshalb … Letzten Monat hat uns der Leutnant mitgeteilt, dass er endlich in die Armee zurückkehrt. Man hat ihm versichert, dass er noch vor dem Sommer befördert und versetzt wird und dass Sanchís seinen Posten übernehmen soll, was mich wundert, aber nun gut, schließlich ist er ein Kriegsheld, und die Führung frisst ihm aus der Hand. Das bedeutet, dass Izquierdo zum Feldwebel befördert wird und Carmona zum Gefreiten. Und es bedeutet auch, dass noch viele Jahre vergehen werden, bis ich
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