Der Feind meines Vaters - Roman
Pérez, lebendig und tot, vorher, dazwischen, nachher, im Moment ihrer eigenen Legende, viele Menschen, viel Schmerz, Heldentum, Blut, Mut, zu viel Leid für nur vier Worte, ein schwerwiegender strategischer Irrtum.
»Du studierst Psychologie, nicht wahr?« Doch das konnte sie nicht verstehen. »Wir sind sehr an dir interessiert, weil es eine kleine Fakultät ist und wir dort wenig Genossen haben. Leider hast du dein Studium schon fast beendet, nicht?«
»Nein, ich bin im ersten Semester.«
»Im ersten Semester? Aber …« Sie sah mich mit offenem Mund an und schloss ihn wieder, sie hatte nichts verstanden. »Ich habe dich für älter gehalten. Wie alt bist du denn?«
»Dreiundzwanzig. Na ja, noch bin ich zweiundzwanzig. Im Januar werde ich dreiundzwanzig, in anderthalb Monaten.« Ich hielt inne und blickte auf ihre weichen weißen Hände mit den gepflegten Fingern einer feinen Dame und nur einer einzigen Schwiele am rechten Mittelfinger, vom Schreiben. »Ich bin im ersten Semester, weil meine Eltern kein Geld haben, um mir das Studium zu finanzieren, und ich es bis jetzt auch nicht hatte. Das Abitur habe ich auf eigene Faust gemacht, mit einer republikanischen Lehrerin aus meinem Dorf, die Berufsverbot hatte. Sie verlangte kein Geld, aber ich versuchte, ihr trotzdem irgendwie etwas dafür zu zahlen, indem ich Oliven erntete und Espartogras sammelte, um es zu Pleita zu flechten.« Ich sah sie erneut an, zuerst die Hände, dann das Gesicht. »Wahrscheinlich weißt du nicht, was Pleita ist.« Doch sie fragte nicht nach, obwohl sie errötete, und Frauen, die erröteten, gefielen mir immer noch. »Im Juni ging ich immer nach Jaén und legte die Prüfung ab, bis ich mit siebzehn meinen Abschluss hatte. Mit achtzehn machte ich den Wehrdienst bei den Fallschirmjägern, um ein bisschen mehr Geld zu verdienen, und war zwei Jahre in Alcalá de Henares. Danach musste ich in mein Dorf zurück, um dort eine Arbeit anzunehmen, was immer ich bekam, bis ich eine Stellung in Jaén fand, in einer Motorradwerkstatt, und letztes Jahr konnte ich in der Abendschule dort endlich ein voruniversitäres Jahr absolvieren. Ich bin ein guter Mechaniker, und mein Chef empfahl mich einem Freund, der eine Werkstatt hier auf der Landstraße in die Sierra hat, aber ich wurde erst im April eingestellt. Deshalb bin ich jetzt im ersten Semester.«
Ich hätte ihr mehr erzählen können, zum Beispiel, dass mein Vater bei der Guardia Civil war und mir jedes Mal, wenn ich zu Besuch in meinem Dorf war, erzählte, wie gut es Paquito in der Kaserne von Castillo de Locubín ging, die nur einen Steinwurf vom Dorf entfernt lag, und wie viel mehr er verdiente als ich. Nicht zu reden von Alfonso, der das Glück gehabt hatte, nach Ceuta zu kommen und dort noch mehr verdiente, ein kleines Vermögen, besonders in einer Stadt, in der wegen ihres Status als Freihafen alles viel billiger war. Ich hätte ihr erzählen können, dass mein Vater und auch meine Mutter mich für einen frühreifen Versager hielten, dass sie beide den Beruf, den ich gewählt hatte, nicht einmal buchstabieren, geschweige sich erklären konnten, wozu er gut war, oder warum ich die Hälfte meines Verdienstes für ein kleines Zimmer in einer Wohnung in Zaidín ausgab, dabei hätte ich doch in jedem Dorf der Sierra Sur drei Zimmer für mich allein haben können, wenn ich mich für die olivgrüne Uniform entschieden hätte.
All das hätte ich ihr erzählen können, doch das wollte ich nicht, und außerdem genoss ich die Schamesröte, die bereits ihre Ohren und den Hals erreicht hatte und sich über ihren Ausschnitt ausbreitete, bis sie endlich wagte, etwas zu sagen.
»Ich mache es nicht besonders gut, nicht wahr?«
»Nein«, antwortete ich sanft, aber mit einem tadelnden Unterton in der Stimme, und lächelte. »Du machst es sogar richtig schlecht.«
»Ja …« Sie schloss erneut die Augen, biss sich auf die Unterlippe und schüttelte mehrmals den Kopf, als wollte sie alles, was sie bislang gesagt hatte, löschen. »Tut mir leid.«
»Das hast du schon gesagt.«
»Ja.« Schließlich lächelte auch sie. »Ich weiß, aber …«
»Hör zu, wir gehen jetzt in eine Bar, setzen uns in aller Ruhe hin, trinken ein Glas und fangen noch einmal von vorne an. Einverstanden? Ich lade dich ein. Bis acht Uhr habe ich frei.«
Meine glänzende, verantwortungsbewusste Politikerin ließ sich wie ein orientierungsloses Lämmchen in eine dunkle Piano-Bar führen, und dort lief es viel besser.
»Du wirst einen
Weitere Kostenlose Bücher