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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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bewusst, warum ich es nicht konnte, nur dass ich es dadurch schlechter und Paquito besser hatte, dass er glücklicher war, auch wenn es bloß daran lag, dass sein Vater nach einer Razzia so betrunken nach Hause kam, dass er keine Kraft mehr hatte, am Küchentisch in Tränen auszubrechen.
    So war die Welt, aber es war nicht meine Schuld. Ich kannte keine andere und konnte nur zwischen Pest und Cholera wählen. Dass Pepe entweder tatsächlich der arme Kerl war, für den viele ihn hielten, und überleben, oder dass er tatsächlich der Mann war, den ich kannte, und jung sterben würde, weil man in meinem Dorf Verrat, Denunziation, Angst und Gewehre mehr kultivierte als die Olivenbäume. Wir lebten mitten in einem Krieg, der nie enden würde, und das schien alles zu erklären, alles zu rechtfertigen und einen Sumpf in einen bewohnbaren Ort verwandeln zu können. Als ich die letzten beiden Papierschnipsel mit zwei kaum sichtbaren Strichen in den Briefkasten des Dorfes warf, sagte ich mir, dass ich nur die Gesetze der einzigen Welt befolgte, die ich kannte. Aber die Dinge sind nicht immer so, wie sie scheinen, und bei Pepe konnte ich mir nie sicher sein.
    »Hör mal, Nino …« Als ich am ersten Unterrichtstag nach den Ferien aus der Schule kam, wartete er draußen auf mich. »Kannst du dich an das Buch erinnern, das du vor anderthalb Monaten mitgenommen hast?«
    »Ja«, antwortete ich, woraufhin er mich am Arm etwas beiseiteführte und leise fragte:
    »Hast du es noch?«
    »Ja klar.«
    »Gut. Du musst es mir zurückgeben …« Ich runzelte die Stirn, und er ließ mich nicht warten: »Ich weiß jetzt, wem es gehört. Gestern hat mich María Cabezalarga danach gefragt. Ihr Bruder hat es sich vor dem Sommer vom Schullehrer ausgeliehen und muss es zurückgeben. Sie haben es schon überall gesucht. Offensichtlich hat Julián es einem Freund ausgeliehen und der wiederum einem anderen … Kurz und gut, der letzte, der das Buch hatte, muss es vor meinem Haus verloren und sich geschämt haben, es Cabezalarga zu beichten. Die arme María ist so zerknirscht, dass ich ihr versprochen habe, es ihr noch heute zu bringen. Hast du es zu Ende gelesen?«
    »Ja.« Ich schenkte ihm ein breites Lächeln, während ich spürte, wie sich mein Magen leerte, als hätte sich der Knoten, der mich überallhin begleitete, seit ich den Namen Comerrelojes auf dem Zettel gelesen hatte, sich plötzlich aufgelöst. »Es hat mir sehr gut gefallen. Ich wollte es eigentlich noch einmal lesen, aber wenn du mich nach Hause begleitest, gebe ich es dir.«
    »Gut.« Auch der Portugiese lächelte. »Und wenn es dir so gut gefallen hat, kann ich dir ja vielleicht ein anderes besorgen, abgemacht?«
    Eine Woche später sagte Vater, ich solle nach der Schule zur Mühle hinaufgehen; er habe erfahren, dass dort etwas auf mich wartete.
    »Aber gib gut auf sie acht, Filo hat sie mir geliehen, und wir müssen sie ihr zurückgeben.«
    Es war Die geheimnisvolle Insel , zwei in blaues Leinen gebundene Bände mit phantastischen Illustrationen auf dem Umschlag. Aber die Spannung, die die Silhouette eines rauchenden Vulkans und die listigen Gesichter von Männern versprach, die die Gefahr zu riechen schienen, während sie durch das Labyrinth einer grünen Hölle marschierten, war nichts im Vergleich zu der Ungewissheit, die mir erlaubte, weiterhin alles und nichts zu glauben und nur das Beste über den Portugiesen, obwohl ich ihn nie mehr verteidigte, wenn Paquito sich über ihn lustig machte. Nicht einmal, als der erste Frost kam, Cencerro von den Toten wiederauferstand, die Lastwagen auftauchten und leer wieder zurückfuhren, ohne verhindern zu können, dass Celestino Cabezalarga, der ältere Bruder von Julián und María, der nie einen Fuß in Cuelloduros Bar gesetzt hatte, plötzlich mit seiner Frau in die Berge ging und der Geschichte über das verlorene und wiedergefundene Buch eine Bedeutung gab. Denn damals erinnerte sich kein Mensch mehr an die seltsamen Todesfälle von Comerrelojes und Pilatos, das finstere Ende einer Welt, die sich scheinbar für immer verabschiedet hatte. Und dann tauchte sie plötzlich wieder auf, mit der Sturheit alter Olivenbäume, die man nicht ausreißen kann, ohne dass sie im Boden eine kleine Wurzel zurücklassen. Äußerlich kaum der Rede wert, kann sie trotzdem immer wieder ausschlagen, ohne jemals zu kapitulieren. Kein Mensch erinnerte sich daran, bis auf Vater, der ebenfalls nie aufgab.
    »Glaub mir, Regalito ist Cencerro.« Jede Nacht

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